Die Tote von Buckingham Palace
doch nie und nimmer sagen, dass er’s getan hat! Dann würd man uns wegen Hochverrat aufhängen.«
»Ich weiß nicht recht«, sagte er zögernd. »Aber für den Fall, dass er auch Mrs Sorokine getötet hat, muss man ihm auf jeden Fall Einhalt gebieten. Sonst käme es auch künftig wieder zu solchen Taten. Dunkeld kann ihn nicht schützen, und ich kann mir auch nicht recht vorstellen, dass er das will – immerhin war eins der Opfer seine eigene Tochter.«
»Warum hat er denn dann nix gesagt«, fragte sie, »und zugelassen, dass Mrs Sorokine dafür büßen musste?«
»Das hat er nicht zugelassen. Er hat mir Julius Sorokine als Täter genannt.« Noch während er das sagte, ging ihm auf, dass das keinen Sinn ergab. Ob Dunkeld wirklich überzeugt war, dass Sorokine seine eigene Frau getötet hatte? War es möglich, dass er den Kronprinzen für unschuldig hielt, weil er es für möglich hielt, dass Julius die Tat begangen hatte – oder waren gar alle drei in sie verwickelt?
»Ich weiß nicht, was ich von der ganzen Angelegenheit halten soll«, sagte er. »Ich werde daraus nicht schlau. Falls der Prinz die Prostituierte betrunken in einem Wutanfall getötet, das Bewusstsein verloren hat und nach dem Aufwachen am nächsten Morgen in Panik geraten ist, hat er vielleicht nach Dunkeld geschickt, damit ihm dieser half. Daraufhin hat Dunkeld die Leiche mitsamt den blutbefleckten Laken in die Wäschekammer geschafft, damit man sie zumindest nicht in den Privatgemächern der Königin fand.«
Gracie ließ Pitts Gesicht keine Sekunde aus den Augen.
»Der Prinz hat ein Bad genommen«, fuhr er fort. »Mit dessen Hilfe hat er sich nicht nur von den Blutspuren befreit, sondern ist vielleicht auch nüchtern geworden. Das wäre eine Erklärung dafür, warum die Prinzessin zu einem Zeitpunkt, als sie nicht damit rechnete, die Badewanne noch warm vorfand. Inzwischen könnte Dunkeld Ordnung geschaffen und dafür gesorgt haben, dass die Porzellanscherben verschwanden. Anschließend hat er dann so getan, als entdecke er die Leiche, um dafür zu sorgen,
dass man uns rief und der Fall nach außen hin so behandelt wurde, wie sich das bei einem Mord gehört.«
»Aber Mrs Sorokine hat Verdacht geschöpft und is’ dahintergekomm’?«, schloss sie. »Ob der dann seine eigne Tochter umgebracht hat, um die Geschichte zu vertuschen? Das wär ja grässlich. So viel is’ er nich’ mal der Königin schuldig, und auch sons’ kei’m. Ha’m Se nich’ gesagt, dass ihre Leiche genau so ausgeseh’n hat wie die von der andern … Frau?«
»Ja.«
»Dann muss man doch annehm’, dass der Prinz das auch war, oder nicht?«
Obwohl er sich außerstande sah, etwas anderes zu sagen, brachte er es nicht über sich, das zuzugeben. »Ich weiß es nicht.«
»Glau’m Se immer noch, dass es Mr Sorokine war?«, fragte sie.
»Denkbar wäre es«, gab er zögernd zurück. »Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass Dunkeld so weit gehen würde, seine eigene Tochter zu töten. Ja, wenn es die Ehefrau gewesen wäre … Solche Fälle kommen tragischerweise immer wieder vor.«
»Nur um den Kronprinz zu schützen?« Auf Gracies Zügen mischte sich Ungläubigkeit mit einer immer mehr zunehmenden entsetzlichen Angst. »Ich halt ’ne ganze Menge von der Königin, aber ich könnt doch nie im Leben ’nen Angehörigen umbring’n, um se zu schützen. Nich’ mal dann, wenn se nie was Falsches gemacht hat. Und falls der Kronprinz Sadie umgebracht hat – ich würd nich’ mal ’nen Hund totmachen, um ’n zu retten. Ich will keine Krone, an der Blut klebt.«
»Ich auch nicht, Gracie«, gab er ihr recht. »Ich verspreche dir, dass ich etwas unternehmen werde, aber ich weiß noch nicht, was.«
Ihr Gesicht entspannte sich ein wenig.
»Se sagen’s doch Mr Narraway, wenn er wiederkommt, oder? Vielleicht weiß der, was man machen kann.«
»Möglich«, erwiderte er. »Er bemüht sich gerade, festzustellen, ob sich in Mr Sorokines Vergangenheit Hinweise auf eine ähnliche Tat finden lassen.«
Sie stöhnte leise. »Se sagen aber doch keinem, was Se glauben?«, fragte sie besorgt.
Er lächelte. »Selbstverständlich nicht. Und behalt du es vorläufig auch für dich! Wenn man uns fragt: Wir halten Mr Sorokine für den Täter und sind dabei, die Beweise zu sichern. Vergiss das nicht, Gracie.«
»Da denk ich schon von selber dran.« Ein Schauder überlief sie, während sie ihre Schürze so kräftig glatt zerrte, dass sich das Schürzenband löste. Sie band die
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