Die Tote von Buckingham Palace
Schleife wieder, entschuldigte sich dann und zog die Tür kräftig hinter sich ins Schloss.
Zwar hatte Pitt nicht geradezu gelogen, Gracie aber auch nicht die volle Wahrheit gesagt. Seiner Ansicht nach blieb ihm keine Wahl, als den Kronprinzen erneut um eine Unterredung zu ersuchen. Die Aussicht auf diese Begegnung erfüllte ihn mit einem gewissen Unbehagen. Doch schlimmer als alles andere wäre es, wenn man Sorokine der Tat bezichtigte, ohne dass Pitt fest von dessen Schuld überzeugt war.
Da er nicht abgewiesen werden wollte, bat er diesmal weder Dunkeld noch Mr Tyndale, ihm die Unterredung zu vermitteln, sondern sprach selbst vor. Er musste nahezu eine Dreiviertelstunde warten.
»Nun, Inspektor?«, sagte der Prinz, als Pitt schließlich zu ihm hineingeführt worden war. »Man hat mir bereits mitgeteilt, dass Sorokine in seinem Zimmer festgehalten wird. Zweifellos wird Mr Narraway Leute mitbringen, die ihn unauffällig fortschaffen. Das wird doch hoffentlich noch heute der Fall sein? Das Beste dürfte sein, es im Schutz der Dunkelheit zu tun. Ich danke Ihnen, dass Sie die Angelegenheit so rasch und … auch so taktvoll zu Ende geführt haben. Wirklich bedauerlich, dass das nicht möglich war, bevor Mrs Sorokine ebenfalls ums Leben gekommen ist.«
Mit einer einzigen routinierten Redewendung hatte er den Fall als abgeschlossen bezeichnet, Pitt gedankt und ihn zugleich dafür getadelt, dass es ihm nicht gelungen war, Minnies Leben zu retten. Damit sah sich Pitt, der nicht daran dachte zu gehen, in einer schwierigen Situation.
»Mr Narraway beschäftigt sich gerade mit Mr Sorokines Vergangenheit, Sir«, begann er zögernd. »Er will feststellen, ob es schon früher einen ähnlichen Fall gegeben hat.«
»Recht so«, lobte der Kronprinz und nickte. »Vielen Dank für die Information, Mr Pitt, aber es ist nicht erforderlich, uns weiterhin auf dem Laufenden zu halten. Das hat weder mit mir noch mit den Herren etwas zu tun, die das Eisenbahnprojekt vorantreiben wollen. Wir werden möglichst bald einen Ersatz für Sorokine finden müssen. Selbstverständlich werde ich Mr Narraway zu gegebener Zeit meinen Dank dafür zukommen lassen, dass er Sie uns zur Verfügung gestellt hat. Auf Wiedersehen.«
Pitt biss die Zähne zusammen. Er spürte, dass sein Gesicht zu glühen begann. Dieser eindeutigen Verabschiedung zum Trotz war er entschlossen, seine Sache weiter zu verfechten.
»Ich bin sicher, dass er das zu schätzen weiß, Sir. Lassen Sie sich versichern, dass wir Ihnen jederzeit zu Diensten stehen. Im Übrigen nehme ich an, dass Mr Narraway dafür sorgen wird, Mr Sorokine morgen fortbringen zu lassen.«
»Wirklich ein betrübliches Ende. Ich konnte ihn eigentlich immer recht gut leiden. Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig«, sagte der Prinz matt.
»Auch Mrs Sorokines Leiche wird man fortschaffen«, fuhr Pitt fort, ohne sich vom Fleck zu rühren, obwohl der Kronprinz einen halben Schritt näher auf ihn zugetreten war und er sich von ihm bedrängt fühlte. Es war ein stummer Kampf der Entschlossenheit zwischen den beiden Männern. »Ich nehme an, dass Mr Dunkeld ihr ein christliches Begräbnis durch einen Geistlichen seiner Wahl zugedacht hat, vermutlich in einer Familiengruft.«
Der Kronprinz schien verblüfft. »Ja … das vermute ich auch. Es wird …« Er hielt inne. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war ihm wohl klar geworden, dass herzlos geklungen hätte, was er zu sagen beabsichtigt hatte, und so hatte er die Worte im letzten Augenblick heruntergeschluckt. »Ich würde gern an der Zeremonie teilnehmen, doch dürfte das Aufsehen erregen.
Der Ärmste.« Ein Anflug von Besorgnis trat auf seine Züge. »Ich hoffe, Sie werden Sorokine unauffällig fortschaffen? Es würde mir zutiefst missfallen, wenn die Leute jetzt noch einen Anlass bekämen, über dies und jenes zu spekulieren. Vielleicht könnte man ihn hinausbringen lassen, als wäre er krank? In gewisser Weise stimmt das ja.« Er verzog das Gesicht vor Abscheu. »Selbstverständlich mit der gebotenen Wachsamkeit.«
Pitt spürte, wie ihm die Zornesröte ins Gesicht stieg. Es kostete ihn große Mühe, sich zu zügeln. Auch er konnte Sorokine gut leiden. Vermutlich hielt ihn der Kronprinz für überaus unweltmännisch, weil er als Einziger nicht bereit gewesen war, an der Gesellschaft mit den drei Prostituierten teilzunehmen, obwohl er seine Frau nicht liebte und diese unübersehbar in eine Affäre mit seinem Halbbruder verwickelt war.
»Es gibt noch
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