Die Tote von Buckingham Palace
einschätzen.«
Dunkeld lächelte säuerlich. »Falls Sie gekommen sind, um mir das zu sagen, sind Sie für Ihren Beruf nicht schnell genug. Ist das, was Sie da tun, überhaupt eine ehrenhafte Beschäftigung?«
»Kommt ganz darauf an«, gab Pitt zur Antwort. »Mr Narraway würde mit Sicherheit Ja sagen.«
»Bisher hat mich die Menschenkenntnis Ihres Vorgesetzten nicht sonderlich beeindruckt«, sagte Dunkeld spöttisch, während er Pitt missbilligend von Kopf bis Fuß musterte.
Pitt lächelte. »Seit wann wissen Sie von Sorokines Schwäche? Beispielsweise seit er in Afrika die Frau umgebracht hat?«
»Damals wusste ich nicht, dass er schuldig war.« Der Ton, in
dem Pitt die Frage gestellt hatte, behagte ihm offenbar in keiner Weise.
»Das hatte ich vermutet, sonst hätten Sie ja wohl kaum zugelassen, dass er Ihre Tochter heiratet. Also irgendwann danach?«
»Was sonst?«, blaffte ihn Dunkeld an und verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Bezwecken Sie mit Ihrer Fragerei eigentlich etwas, Inspektor?«
»Ja. Ich wüsste gern genau, wann das gewesen sein könnte.«
Mit einem Mal witterte Dunkeld Gefahr, ohne dass er zu sagen vermocht hätte, woher sie drohte. Zurückhaltend fragte er: »Ist das wichtig? Sorokine ist schuldig. Die Einzelheiten werden vermutlich immer im Dunkeln bleiben. Ihre Aufgabe ist es, den Fall so gut, so unauffällig und so gerecht wie möglich zu erledigen.«
»Woher wussten Sie, dass es Sorokine war?«, ließ Pitt nicht locker. »Was haben Sie mit Ihrer Menschenkenntnis gesehen, was mir entgangen ist?«
Dunkeld lächelte. »Versuchen Sie mir zu schmeicheln, Inspektor? Ein sehr plumpes Kompliment, ganz davon abgesehen, dass es auf einer falschen Voraussetzung fußt. Mir ist gleichgültig, was Sie von mir halten.«
»Ich bemühe mich zu lernen«, sagte Pitt so unschuldig er konnte. Dunkeld erschien ihm aufreizender als irgendeiner der vielen Menschen, mit denen er je zu tun gehabt hatte. Auch wenn er die Schwächen des Mannes verstand – seinen unbezähmbaren Drang, in eine höhere Gesellschaftsschicht aufzusteigen, sein Bedürfnis, stets und ständig bewundert zu werden, und auch den bitteren Verlust, den der Tod seiner Tochter bedeuten musste –, so verabscheute er ihn doch. »Bei Menschen, die aus einem Impuls heraus töten«, fuhr er fort, »gleichsam im Wahnsinn, lösen bestimmte Ereignisse oder das Zusammentreffen von Ereignissen die Tat aus, denn dabei verlieren sie schlagartig ihre Selbstbeherrschung, die normalerweise dafür sorgt, dass sie ganz unauffällig wirken. Ich nehme an, dass Ihnen das klar war.«
»So ist es.« Dunkeld konnte es nicht bestreiten. »Sie äußern da eine Binsenweisheit – wieder einmal.«
»Und was war bei Sorokine der Auslöser?«
Dunkeld zwinkerte.
»Wissen Sie das etwa nicht?«, sagte Pitt mit betonter Überraschung. »Wie war die Frau, die er in Afrika umgebracht hat?«
Dunkeld überlegte einen Augenblick. »Ebenfalls eine Hure, glaube ich«, sagte er herablassend. »Nicht mehr besonders jung, Ende zwanzig, nicht unbedingt hübsch, hatte aber eine gute Figur. So weit ich gehört habe, muss sie ziemlich intelligent gewesen sein und eine flinke Zunge gehabt haben. Eine Frau, die einem Mann als Gesprächspartnerin dienen konnte und nicht nur als …« Er ließ den Satz unbeendet.
»Sie war also mehr oder weniger wie Sadie«, folgerte Pitt.
Dunkeld gab sich nicht die geringste Mühe, seine Verachtung zu verbergen. »Endlich scheinen Sie ja einmal etwas begriffen zu haben«, sagte er sarkastisch.
Pitt zuckte lediglich leicht mit den Achseln. »War Ihnen das vorher bewusst, oder haben Sie es erst gemerkt, nachdem Sie Sadie und ihre Kolleginnen zur Unterhaltung der Herren in den Palast geholt hatten?«
Dunkeld fuhr auf. Seine Augen sprühten. »Wollen Sie damit durchblicken lassen, ich hätte sozusagen zugesehen, wie es passiert ist?«
»Warum um Gottes willen sollten Sie so etwas tun?« Pitt hielt Dunkelds Blick stand. »Es sei denn, Sie wollten sich eines Schwiegersohns entledigen, der Ihnen zuwider war, und auf diese Weise Ihrer Tochter die Freiheit verschaffen.«
Dunkeld holte tief Luft und verlagerte sein Gewicht erneut. »Und Sie glauben, ich würde zulassen, dass dafür eine Frau ums Leben kommt?«
Pitt regte sich nicht. »Sind Sie der Ansicht, dass er immer dann getötet hätte, wenn eine bestimmte Situation eintrat?«, fragte er mit neutraler Stimme.
Dunkeld überlegte eine Weile und antwortete dann: »Hören
Weitere Kostenlose Bücher