Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
wäre ihr schon früher gekommen, aber daran ließ sich jetzt nichts mehr ändern.
    Auf dem Treppenabsatz hörte sie, wie Ada ihr laut etwas nachrief. Einen Augenblick lang fühlte sie sich versucht, umzukehren und sie von oben herab darauf hinzuweisen, dass ein guter Dienstbote nie die Stimme erheben durfte, unter keinen Umständen! Aber diesen Luxus konnte sie sich nicht leisten – die Zeit war zu kostbar.
    Sie fand Mr Tyndale in der Geschirrkammer und ging hinein, wobei sie vergaß, die Tür offen stehen zu lassen.
    »Mr Tyndale, Sir«, begann sie. »Ich weiß, dass Mr Sorokine in sei’m Zimmer festgehalten wird. Aber wir dürfen kein’ Fehler machen. Wir wissen noch nich’ alles.« Sie holte rasch Luft und sprach sofort weiter. »Wir müssen alles genau erklär’n könn’. In der Nacht, wie Sadie umgebracht worden is, hat sich Mr Dunkeld’ne Kiste komm’ lassen. Er hat gesagt, da wär’n Bücher drin, aber in seinen Zimmern gibt’s keine und auch nich’ im Salon.«
    »Im Salon befinden sich mindestens fünfzig Bücher, Miss Phipps«, belehrte er sie. »Möglicherweise mehr.«
    Es fiel ihr schwer, sich zu beherrschen.

    »Das weiß ich, Sir. In den’ geht’s aber nich’ um Afrika. Die war’n schon immer da. Mr Dunkeld hat gesagt, in der Kiste wär’n welche über Afrika gewesen.«
    Tyndale hob die Brauen. »Und woher wollen Sie all das so genau wissen, Miss Phipps?«
    »Ich hab se mir angeseh’n«, sagte sie, so höflich sie konnte. Warum war der Mann nur so begriffsstutzig? »Ich kann lesen, Mr Tyndale. Ich nehm an, in der Kiste war was andres, und jemand weiß auch, was.«
    Tyndale sah unbehaglich drein. »Vielleicht war das für die Herrengesellschaft bestimmt. Das würde uns dann nichts angehen«, gab er zu bedenken.
    Sie war peinlich berührt und merkte, wie sie rot wurde. Sie hatte keine Vorstellung, worum es dabei gehen konnte, und wollte es lieber auch nicht wissen. Doch diesen Luxus konnte sie sich bei ihrer Ermittlungsarbeit nicht leisten. »Bei ’nem Mordfall gibt’s nix, was ein’ nix angeht, Mr Tyndale. Jemand muss das geseh’n ha’m. Edwards hat beim Hochtragen geholfen. Wie schwer war die Kiste da? Man kann spür’n, ob in ’ner Kiste, die man trägt, was rumrutscht oder nich’, zum Beispiel Bücher. Und wie schwer war se, wie man se wieder weggebracht hat?«
    Tyndale sah nach wie vor unbehaglich drein. »Mir ist über den Inhalt der Kiste nicht das Geringste bekannt, Miss Phipps, und ich habe weder das Recht, der Sache nachzugehen, noch verspüre ich den Wunsch dazu. Es ist besser, wenn wir über die Angelegenheiten der besseren Herrschaften nicht unnötig viel wissen.«
    Er tat ihr leid, und so sagte sie freundlich: »Dieser Mr Dunkeld gehört nich zu ’n bess’ren Herrschaften.« Voll Ungeduld fügte sie hinzu: »Und meiner Ansicht nach gehört auch keiner dazu, der sich mit Freudenmädchen abgibt.«
    »Miss Phipps!« Er war entsetzt, und so klang seine Stimme lauter, als er beabsichtigt hatte.
    Die Tür sprang so heftig auf, dass sie gegen die Wand schlug. Mit hochrotem Gesicht und funkelnden Augen stand Mrs Newsome im Rahmen. »Miss Phipps, jetz’ hab ich von Ihrem Verhalten
endgültig genug. Ich hab Sie gewarnt. Mag sein, dass Mr Tyndale ’n zu weiches Herz hat, um Se zu behandeln, wie sich’s gehört, oder weil ihm das peinlich wär’. Das is’ bei mir nich’ so. Sie sind entlassen. Für ’ne Anstellung hier im Palast sind Se nich’ geeignet. Ada hat sich über Sie beschwert. Nich’ nur Ihre Arbeit und Ihre Art, sich aufzuführen, is’ unbefriedigend, Se ha’m sich auch mit voller Absicht über meine Anweisung hinweggesetzt, nich’ mehr alleine mit männlichen Angehörigen des Personals zusammenzutreffen un’ dabei die Tür zuzumachen. Se bringen Mr Tyndale in’ne unmögliche Situation. Pack’n Se Ihre Sachen, und verlassen Se gleich morgen früh den Palast. Von mir aus kriegen Se ’n Zeugnis, aber bestimmt kein gutes. Das Beste, was ich über Se sagen kann, is’, dass Se ehrlich und sauber sind – soweit ich weiß.«
    Tyndales Gesicht war scharlachrot. Er schämte sich so sehr, dass er am liebsten in einem Mauseloch verschwunden wäre – zum einen wegen des Verdachts, den die Wirtschafterin offenkundig gegen ihn hegte, und zum anderen, weil es ihm nicht gelungen war, Gracie vor Mrs Newsomes Grimm zu bewahren. Er wusste nicht, wie er sich aus dieser Schlinge befreien sollte, ohne Gracie im Stich zu lassen. Möglicherweise war er auch von der

Weitere Kostenlose Bücher