Die Tote von Buckingham Palace
dass sein Bruder die Frau in Afrika getötet hat?«, fragte Pitt ungläubig.
Dunkeld schien ein wenig unsicher zu sein, fing sich aber rasch. »Nein, aber ich nehme an, er hat es befürchtet. Watson Forbes hat es gewusst. Das ist auch der Grund, warum er nicht wollte, dass seine Tochter Julius heiratete, obwohl sie in ihn verliebt war. Hamilton Quase war für sie eine weit bessere Wahl. Fragen Sie Forbes, falls Sie mir nicht glauben. Ich gehe wieder zu Bett. Elsa!«
Sie sah Pitt einen Augenblick lang in die Augen, dann wandte sie sich um und folgte ihrem Mann gehorsam auf den Gang hinaus. Sie wusste nicht, ob sie wagen durfte zu hoffen oder nicht.
KAPITEL 12
P itt kehrte in sein Schlafzimmer zurück und legte sich wieder hin, doch gelang es ihm nicht, noch einmal einzuschlafen. Offensichtlich hatte Mrs Dunkeld die Wahrheit über den Tafelaufsatz gesagt, denn Dunkeld hatte nicht versucht, die Fakten zu bestreiten. Auch wenn sie sich vermutlich verzweifelt bemühte, Sorokine zu retten, weil sie ihn liebte, nahm er nicht an, dass sie log. In dem Fall hätte sie sich schon früher eine bessere Geschichte ausgedacht. Wahrscheinlich hätte sie gesagt, dass sie zu der Zeit, als Sadie umgebracht wurde, mit ihm zusammen gewesen war, wenn nicht sogar in beiden Fällen.
Hätte sich Sorokine eine so offenkundige Lüge zunutze gemacht, um seine Haut zu retten? So mancher Mann würde eine solche Gelegenheit ergreifen, ganz gleich, welche Folgen das für den Ruf der Frau und ihre Ehe hatte. Pitt nahm nicht an, dass Dunkeld gezögert hätte, sich wegen Ehebruchs von seiner Frau scheiden zu lassen, zumal wenn er auf diese Weise öffentlich ausposaunt wurde.
Dass er einen Tafelaufsatz mitgebracht hatte, der mit dem später zerbrochenen so gut wie identisch war, konnte kein Zufall sein. Wie aber hatte er wissen können, dass dieser in Stücke gehen oder sich jemand in Abwesenheit der Königin in ihrem Schlafgemach aufhalten würde?
War hier doch etwas mit Vorsatz und Vorbedacht geschehen? Und was? Sadies Ermordung? Wie es hieß, war keine der drei
Frauen je zuvor im Palast gewesen. Dass sie sich an jenem Abend dort befand, war also reiner Zufall gewesen. Sie auf diese Weise umzubringen konnte mithin nur die Tat eines Wahnsinnigen sein, der aus dem Augenblick heraus gehandelt hatte. Doch selbst wenn er sich vorgenommen haben sollte, sie zu ermorden: woher hätte er wissen können, dass sie sich im Schlafgemach der Königin befinden oder dass der bewusste Tafelaufsatz in Stücke gehen würde? Das war unmöglich. Es war ein Zufall, etwas, was erst im Rückblick betrachtet in den Zusammenhang passte. Aber wie?
Dann die Flaschen mit dem Blut darin. Es gab keinerlei Beweis dafür, dass sie Portwein enthalten hatten, als sie in den Palast gebracht wurden, oder dass sie ausgetrunken und dann mit Blut gefüllt worden waren, möglicherweise in der Küche. Sofern Letzteres der Fall war: wer hatte das getan, und wann? Auf welche Weise hatte jemand an das Blut gelangen und es ungesehen in die Flaschen füllen können? In der Küche herrschte doch eigentlich ständig reger Betrieb.
Sofern sie aber bereits mit Blut gefüllt waren, als sie mitgebracht wurden, ließ das auf eine weit vorausblickende, sorgfältige Planung mit einem bestimmten Ziel schließen.
War das denkbar? Und wer steckte dahinter? Offensichtlich Cahoon Dunkeld. Auch wenn man nicht planen konnte, zu einem bestimmten Zeitpunkt auf eine bestimmte Weise geisteskrank zu werden, konnte man sehr wohl wissen, dass ein anderer geisteskrank war und ganz bestimmte Umstände oder Vorfälle bei ihm einen Anfall auslösten.
Wer zu abwegigen Mordtaten neigte, ließ sich durch eine bestimmte Abfolge von Ereignissen steuern. Hatte Dunkeld gewusst, dass es bei einem der Gäste eine solche schwache Stelle gab, und die Ereignisse planvoll so gesteuert, dass es zu dem gewünschten Ausbruch kam? Konnte jemand so tückisch sein? Sicherlich. Es gab kein Verbrechen, dessen ein Mensch nicht fähig war. Doch hätte Dunkeld das ausgerechnet hier im Palast der Königin riskiert? Die Gefahr war beträchtlich, allerdings
auch der zu erwartende Lohn, wenn man annahm, dass er in der Durchsetzung des Bahnprojekts bestand.
Sonnenstrahlen fielen durch einen Spalt zwischen den Vorhängen auf den Fußboden. Pitt sah verwirrt hin. Auf welche Weise hätte ein Mord Dunkeld bei diesem Vorhaben förderlich sein können? Eher hätte man doch annehmen müssen, dass eine solche Tat dessen Verwirklichung im Wege
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