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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sich hin. Als er sich die Haare aus den Augen strich, spürte er Bartstoppeln in der Handfläche. In seinen Schläfen dröhnte es dumpf. Sein Kopf schmerzte. »Nein«, wiederholte er. »Mrs Dunkeld hat mich in den frühen Morgenstunden geweckt. Sie hat gesagt, ihr Mann habe in seinem Gepäck einen Tafelaufsatz aus Limoges-Porzellan gehabt, der dem zerbrochenen völlig gleich war; praktisch ein identisches Ebenbild. Ich nehme an, dass es der war, den ich in den Privatgemächern der Königin gesehen habe. Außerdem hat er eine Kiste Portwein als Gastgeschenk für den Kronprinzen mitgebracht.«
    Sie goss ihm eine Tasse voll und gab sie ihm. »Vorsicht, heiß«, warnte sie. »Warum hat se Ihn’ das gesagt? Wie is’ se darauf gekomm’, dass die Flaschen wichtig sind, wenn se von dem Blut da drin nix gewusst hat?«
    Er nahm den Tee. »Danke. Sie wusste nicht, dass sie wichtig waren. Ich habe sie danach gefragt«, erklärte er. »Den Tafelaufsatz hat sie im Gepäck ihres Mannes gesehen, und dass wir nach so einem suchen, weiß inzwischen wohl jeder.« Der Duft, der aus der Tasse aufstieg, war verlockend. Er nahm einen kleinen Schluck. Gracie hatte mit ihrer Warnung recht gehabt, der Tee
war sehr heiß. Wirklich schade. Nicht nur hatte er Durst, er war auch sicher, dass er sich nach einigen kräftigen Schlucken wieder als Mensch fühlen würde.
    »Dann kann’s nur Dunkeld gewesen sein«, sagte sie befriedigt.
    »Aber nicht damals in Afrika«, gab er zurück. Ihm wäre es lieber gewesen, es hätte sich anders verhalten. »Ich vermute, dass er Sorokine zu der Tat provoziert hat. Ihm war wohl bekannt, dass der Mann geisteskrank ist und, vor allem, was bei ihm den Verlust der Beherrschung auslösen würde. Also hat er die entsprechenden Umstände herbeigeführt und anschließend die Beweismittel gefälscht, damit wir …« Er hielt inne. Ihm fiel kein rechter Grund dafür ein, warum Dunkeld die Beweise manipuliert haben sollte.
    »Ich weiß nich’«, sagte sie. »Dann hätt’ es doch genügt, uns Mr Sorokine festnehmen zu lassen?«
    »Er wollte wohl keinen Skandal im Palast, weil er für das Bahnprojekt nach wie vor auf die Unterstützung des Prinzen angewiesen ist. Er ist mit seiner Handlungsweise ein gewaltiges Risiko eingegangen.«
    Sie sah schräg zu ihm hin und dachte heftig nach. »Wenn er Mr Sorokine loswer’n wollte, warum hat er dann nich’ dafür gesorgt, dass der woanders jemand umbringt?«
    »Vermutlich, weil zu befürchten stand, dass Sorokine dann nicht als Täter ermittelt werden konnte.« Er sprach, während er nachdachte. »Die Polizei würde ein solches Verbrechen vermutlich einem ausgesprochen gewalttätigen oder primitiven Täter zuschreiben. Hier hingegen stand von vornherein fest, dass es nur einer von dreien gewesen sein konnte. Unmöglich kann jemand von außen in den Palast eingedrungen sein.«
    Sie nickte. »Und was machen wir jetz’?«
    Er lächelte, weil sie sich automatisch mit einschloss. Wie immer stand sie voll und ganz zu ihm.
    »Wir werden feststellen, was der Auslöser dafür war, dass Sorokine die Beherrschung verlor«, sagte er, nahm vorsichtig einen Schluck Tee und merkte, dass er nach wie vor zu heiß war. »Danach
werden wir beweisen, dass Dunkeld die Hintergründe gekannt und mit voller Absicht eine Situation herbeigeführt hat, in der Sorokines Geisteskrankheit durchbrechen würde.«
    »Und dann kann man ’n aufhängen?«, fragte sie hoffnungsvoll.
    »Sorokine oder Dunkeld?«
    »Natürlich Dunkeld! Das is’ ’n ganz hinterhältiger Halunke!« Für sie gab es da nicht den geringsten Zweifel.
    »So in der Art«, bestätigte er, nahm erneut einen Schluck Tee und lächelte ihr zu.
    Gleich nach dem Frühstück machte er sich auf den Weg zu Cahoon Dunkeld. Er hatte sich mittlerweile rasiert und frisch gemacht und bemühte sich, möglichst viel Zuversicht auszustrahlen. In Gedanken ging er die Beweislage noch einmal durch, wie sie sich ihm darstellte und rekapitulierte die Schlussfolgerungen, die er daraus gezogen hatte. Schließlich sprach er ihn in einer der prachtvollen Bildergalerien an.
    »Was haben Sie denn jetzt schon wieder?«, fragte Dunkeld ungeduldig und sah Pitt herausfordernd an, wobei er auf beiden Füßen wippte.
    Pitt steckte die Hände in die Taschen und nahm eine Haltung ein, die anzeigte, dass er eine ganze Weile zu bleiben gedachte. »Ich halte Sie für einen glänzenden Menschenkenner, Mr Dunkeld. Sie können die Stärken und Schwächen anderer genau

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