Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
wirklich, denn ihnen war noch nie wichtig gewesen, wer was zu wem gesagt hatte.
    Gegen Viertel vor sechs kam Bartle, um ihr mitzuteilen, dass der Mann vom Staatsschutz sie zu sprechen wünsche.
    »Mich?«, fragte Elsa verblüfft. »Wozu das? Ich habe nicht die geringste Kenntnis von dem Vorgefallenen.«
    Die Miene ihrer Zofe war finster. »Ich weiß nich’, Miss Elsa. Aber er un’ der andre haben den ganzen Nachmittag mit dem Personal vom Palast gesprochen. Grade war Mrs Quase bei ihm, und jetz’ will er mit Ihnen sprechen. Würd’ mich gar nich’ wundern, wenn da was ganz und gar nich’ in Ordnung wär’.«
    Elsa öffnete die Tür zu dem kleinen Zimmer eher neugierig als beklommen. Der Mann, den sie darin vorfand, war größer, als sie angenommen hatte, machte auf sie aber im Übrigen, wenn sie von seinen ungewöhnlich wachen Augen absah, einen eher durchschnittlichen Eindruck. Er war glatt rasiert, sein krauses Haar war zu lang, und sie sah sogleich, dass sein Jackett schlecht saß. Vermutlich hing das damit zusammen, dass irgendein großer Gegenstand in der rechten Tasche diese weit abstehen ließ. Der Hemdkragen war zerknittert und die Krawatte zu stark gelockert. Er schien müde zu sein.
    »Guten Tag«, sagte sie und schloss die Tür. »Sie wollen mich sprechen?«

    Mit den Worten »Ja, Mrs Dunkeld« tat er einen Schritt beiseite, damit sie an ihm vorübergehen und sich setzen konnte. »Ich bin Inspektor Pitt.«
    Sie nahm in einem der Ohrensessel Platz und ordnete die Röcke ihres Nachmittagskleides. »Ich bin sicher, dass ich Ihnen nicht im Geringsten von Nutzen sein kann«, sagte sie höflich. »Über den Palast weiß ich äußerst wenig, denn ich bin zum ersten Mal hier, und auch das erst seit zwei Tagen.«
    »Das ist mir bekannt, Mrs Dunkeld.« Er setzte sich ihr gegenüber in einen sichtlich unbequemeren Sessel. »Ist Ihnen bekannt, was in der vergangenen Nacht hier vorgefallen ist?«, fragte er mit besorgtem Ausdruck, als sei es seine traurige Pflicht, ihr etwas mitzuteilen, was ihr Kummer bereiten würde. Sie hatte das Bedürfnis, ihn zu beruhigen. »Gewiss. Man hat eine der käuflichen Frauen getötet, die gestern an dem Herrenabend teilgenommen haben.«
    Er schien überrascht, dass sie so unumwunden darüber sprechen konnte. Sie überlegte, ob er wohl befürchtet hatte, sie wisse womöglich nicht einmal, um welche Art von Frau es sich handelte.
    »Mir ist auch bekannt, dass Sie den ganzen Tag hindurch Dienstboten befragt haben, um festzustellen, wer als Täter infrage kommen könnte«, fügte sie hinzu. »Ich hoffe, Sie hatten damit Erfolg. Der Grund für unsere Einladung bei Seiner Königlichen Hoheit ist eine Angelegenheit von höchster Bedeutung. Es wäre weit besser, wenn die Herren ihre geschäftlichen Besprechungen ohne irgendwelche Beschränkungen fortsetzen könnten.« Sie drückte sich so taktvoll wie möglich aus, ohne näher darauf einzugehen, ob sie Mitgefühl für die Tote empfand oder ob sie lediglich Ungelegenheiten für die Betroffenen fürchtete. An seinem Gesicht ließ sich nicht ablesen, ob er das verstand. In seinen Augen blitzte eine Art Spott, der alles Mögliche bedeuten konnte.
    Es beunruhigte sie, dass sie ihn nicht so einfach einschätzen konnte, wie sie das angenommen hatte. Der Wohlklang seiner
Stimme hatte sie ebenso sehr überrascht wie seine gepflegte und gebildete Sprechweise. Aber wenn er sich auch ausdrückte wie ein Herr, konnte er keinesfalls einer sein, sonst würde er nicht diesen Beruf ausüben. Es war allgemein bekannt, dass Polizeibeamte mit Ausnahme jener in den höchsten Positionen aus den unteren Volksschichten stammten und selbst Dienstboten besserer Häuser auf sie herabsahen.
    Er musterte sie aufmerksam mit leicht gerunzelten Brauen. »Diejenige der Frauen, die sich der Prinz selbst vorbehalten hatte, ist heute Morgen vollständig unbekleidet in der Wäschekammer des Gästetrakts aufgefunden worden«, teilte er ihr mit. »Zu meinem Bedauern muss ich sagen, dass man sie mit einem Messer getötet hat.«
    Einen Augenblick lang stockte ihr der Atem. Sie war wie benommen. Zwar hatte Cahoon gesagt, man habe sie mit einem Messer aufgeschlitzt, aber sie hatte angenommen, er habe seine Zuhörer absichtlich schockieren wollen. Aus dem Mund dieses ruhigen Mannes mit den ausgebeulten Taschen und dem festen Blick klang die Aussage mit einem Mal grauenhaft wirklich. Sie setzte zum Sprechen an, doch ihr fiel nichts ein, was sie hätte sagen wollen.
    »Nach

Weitere Kostenlose Bücher