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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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die Menschen manchmal nicht merkten. »Was will er von mir?«, fragte sie wieder.
    »Komm mit nach unten, da wirst du es erfahren. Auf keinen Fall werde ich dem Leiter des Staatsschutzes sagen, dass du nicht bereit bist, mit ihm zu sprechen.«
    Flüchtig dachte Gracie an ihr Aussehen. Sie hatte das glatte Haar zu einem Knoten im Nacken zusammengefasst, und ihr dunkelblaues Wollkleid war ziemlich verknittert. Da sie am nächsten Tag ohnehin ein frisches anziehen wollte, hatte sie sich nicht besonders in Acht genommen.
    »So, wie du bist.« Charlotte schien ihre Gedanken erraten zu haben. »Ein paar Knitterfalten stören ihn bestimmt weniger, als wenn er warten muss.«

    Das klang beunruhigend. Mit zitternden Händen strich sich Gracie glättend über den Rock, was aber nichts nützte. Dann folgte sie Charlotte nach unten ins Erdgeschoss, vorüber an den Zimmern der beiden Kinder der Pitts, Jemima und Daniel.
    Narraway wartete im Besuchszimmer. Er schien entsetzlich abgespannt. Tiefe Linien zerfurchten sein Gesicht, und sein von vereinzelten grauen Strähnen durchzogenes dichtes dunkles Haar saß nicht annähernd so tadellos wie sonst. Er musste wohl sehr unruhig sein, denn er hatte nicht einmal Platz genommen.
    Mit den Worten »Ja, Sir?« trat Gracie vor ihn.
    Charlotte schloss die Tür. Gracie hoffte inständig, dass sie den Raum nicht verlassen hatte, wagte aber nicht, sich umzusehen.
    »Miss Phipps«, begann Narraway. »Ich setze voraus, dass Sie alles, was ich Ihnen jetzt sagen werde, mit genau derselben Verschwiegenheit behandeln wie alles, was Sie in diesem Haus erfahren. Haben Sie mich verstanden?«
    »Ja, Sir. Ich weiß, was sich gehört«, entrüstete sie sich. »Ich sag nie was über Sachen, die keinen was angeh’n.«
    »Gut. Man hat Mr Pitt heute Morgen gerufen, weil im Buckingham-Palast, dem Wohnsitz der Königin, wie Sie sicherlich wissen, ein Mord geschehen ist. Glücklicherweise hält sich die Monarchin zur Zeit dort nicht auf, wohl aber der Kronprinz.«
    Gracie sah ihn sprachlos an.
    »Eine Prostituierte ist erstochen worden«, fuhr Narraway fort. »Aufgefunden hat man sie in der Wäschekammer des Gästetrakts, in dem sich gegenwärtig acht Besucher aufhalten. Sie haben äußerst wichtige Angelegenheiten mit Seiner Königlichen Hoheit zu besprechen.«
    »Un’ Mr Pitt soll also feststellen, wer se umgebracht hat«, beendete Gracie seine Gedankenkette. »Keine Sorge, Sir. Wir komm’ hier schon allein zurecht.«
    »Davon bin ich überzeugt, Miss Phipps«, sagte Narraway mit kaum wahrnehmbarem Nicken, wobei eine Spur Belustigung in seinen Augen aufblitzte. »Das aber erwartet Ihr Land nicht von Ihnen.«

    Gracie hörte, wie Charlotte einen leisen Seufzer ausstieß.
    Narraway errötete leicht, wandte sich aber nicht zu ihr um.
    »Was mein’n Se mit ›mein Land‹?«, erkundigte sich Gracie verwirrt. »Was kann ich da schon tun?«
    »Ich denke, Sie sollten die Katze aus dem Sack lassen, Mr Narraway«, meldete sich Charlotte zu Wort. »Es wird allmählich spät.« In Charlottes Stimme lag eine unüberhörbare Schärfe.
    Narraway sah unbehaglich drein. Er tat Gracie leid. Die ehrfurchtsvolle Angst, die sie bisher vor ihm empfunden hatte, begann dahinzuschwinden. Unwillkürlich musste sie daran denken, dass die Leute sagten, in den Augen seines Kammerdieners sei kein Mann ein Held.
    »Was soll ich machen, Sir?«, fragte sie freundlich.
    Ein Ausdruck von Dankbarkeit trat auf Narraways Züge, verschwand aber gleich wieder. »Es wäre mir lieb, wenn Sie vorübergehend im Buckingham-Palast eine Tätigkeit als Mädchen für alles aufnehmen würden. Man hat bereits die nötigen Schritte unternommen, sodass Sie die Stelle sofort antreten könnten. Außer Mr Tyndale, der die Aufsicht über das Personal in jenem Flügel der Anlage hat, wird niemand wissen, dass Sie in Wahrheit für den Staatsschutz arbeiten und Mr Pitt zur Hand gehen. Da wir mit Sicherheit wissen, dass der Mörder unter den Gästen zu suchen ist, wird sich die Aufgabe schwierig gestalten und ist möglicherweise sogar gefährlich. Mithin brauchen wir jemanden, auf dessen Verschwiegenheit und Tüchtigkeit wir uns voll und ganz verlassen können. Allerdings habe ich unter den mir unterstellten Männern niemanden, der die Rolle eines Dienstboten glaubwürdig verkörpern könnte. Man würde ihm in der ersten halben Stunde auf die Schliche kommen. Bei Ihnen ist das anders. Pitt hat mir gesagt, dass Sie zuverlässig sind und über eine ausgezeichnete

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