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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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das im Palast übliche Verhalten. Denken Sie bitte daran, dass Sie in dieser bedauerlichen Angelegenheit auf ihre Hilfe angewiesen sind, und so hat sie wohl Anspruch auf Ihre Fürsorge. Immerhin unterstützt sie mich bei meinen Bemühungen, die näheren Umstände des Falles so rasch und diskret wie möglich aufzuklären.«
    Tyndale errötete. »Sie dürfen sich voll und ganz auf mich verlassen, Inspektor«, sagte er steif. »Es tut mir leid, Miss Phipps, wenn ich Sie gekränkt haben sollte. Ada zeigt Ihnen jetzt Ihr Zimmer. Ich habe dafür gesorgt, dass Sie es mit niemandem zu teilen brauchen, weil das Ihre Aufgabe möglicherweise erschweren würde.«
    »Danke, Mr Tyndale.« Das wusste sie in der Tat sehr zu schätzen, denn für jemanden wie sie, die daran gewöhnt war, selbstständig zu arbeiten, würde es schwer genug sein, den ganzen Tag lang Anweisungen entgegenzunehmen. Da war es ein beruhigendes Gefühl, nicht auch noch das Zimmer mit einem anderen Dienstmädchen teilen zu müssen. Wenn sie daran dachte, wie weitgehend sie sich ihre Arbeit in Pitts Haus selbst einteilte, schien ihr die Zeit, da sie als schmuddeliges und unbeholfenes Kind, dem man nahezu alles beibringen musste, ins Haus gekommen war, weit in der Vergangenheit zu liegen. Inzwischen beherrschte sie alle im Haushalt anfallenden Arbeiten, konnte lesen und schreiben und war sogar verlobt. Kurz gesagt, sie war im Begriff, eine ganz und gar achtbare Frau zu werden.
    Sie wandte sich an Pitt. »Wie soll ich Ihnen Bescheid geben, falls ich was rauskrieg, Sir?«
    »Ich finde dich schon, Gracie«, sagte er. »Und … vielen Dank.«
    Im vollen Bewusstsein, wie unpassend das in dieser Situation war, lächelte sie ihn strahlend an, wandte sich dann auf dem Absatz
um und trat in den Gang hinaus, um dort auf ihre Kollegin zu warten, die sie zu ihrem Zimmer bringen sollte.
    Ada war eine hübsche junge Frau mit flachsblondem Haar und glatter Haut. Nach einem flüchtigen und uninteressierten Blick auf Gracie war an ihrem Gesichtsausdruck die Überzeugung abzulesen, dass ein so schmächtiges und kleines Persönchen ihre Stellung in der Hierarchie auf keinen Fall gefährden würde und man mit ihr vermutlich auch kaum seinen Spaß haben dürfte.
    »Na, dann komm’ Se mal mit«, sagte sie und legte ihre Überlegenheit in diese dürren Worte.
    Das Zimmer, das gleich oben am Treppenabsatz lag, war schmal, aber recht gut eingerichtet. Aus dem Fenster fiel der Blick über die Baumwipfel des Parks auf die fernen Dächer der Stadt. Der Gedanke, dass sie das offensichtlich für zwei Personen vorgesehene Zimmer ganz allein bewohnen würde, machte Gracie glücklich. Sie dankte ihrer Führerin und packte ihre geringe Habe in die Kommode am Fußende des Bettes, kaum dass Ada die Tür hinter sich geschlossen hatte. Schon bald klopfte es. Ein anderes Dienstmädchen, das sich als Norah vorstellte, brachte ein dunkles Kleid, das in etwa die richtige Größe zu haben schien, ein Spitzenhäubchen und eine Schürze mit Spitzenbesatz.
    »Ich weck Se morgen um sechs«, sagte Norah munter und ging.
    Trotz aller Müdigkeit fand Gracie es fast unmöglich einzuschlafen. Sie warf sich von einer Seite auf die andere, legte sich dann auf den Rücken und sah zur Zimmerdecke empor. Sie, Gracie Phipps, stand im Dienst des Buckingham-Palastes und sollte für Pitt einen besonderen Auftrag ausführen! Jemand hatte einige Stockwerke unter ihr in einer Wäschekammer des Gästetrakts eine Prostituierte getötet, und ihre Aufgabe war es, zur Lösung des Falles beizutragen. Wie nur könnte sie das tun? Wo sollte sie beginnen?
    Sie hatte keine Zeit gehabt, Samuel von ihrem Auftrag in Kenntnis zu setzen, bevor sie aufbrach, und vielleicht war es auch besser, das erst zu tun, wenn die Sache hinter ihr lag. Was für eine
Geschichte würde sie dann erzählen können! Sie stellte sich schon das Gesicht vor, das er machen würde, wenn sie ihm alles in Einzelheiten beschrieb. Sie war bereit, einen ganzen Wochenlohn darauf zu verwetten, dass er sein Leben lang noch nicht im Buckingham-Palast gewesen war.
    Trotzdem wäre es ihr lieber gewesen, sie hätte es ihm sagen können. Er war ein guter Kriminalist, der seine Arbeit verstand. Und er wäre für diese Aufgabe hier mit Sicherheit weit besser geeignet gewesen als sie, doch hielt er nichts von der Tätigkeit eines Dienstboten. Sie hatten sich oft darüber gestritten. Ihrer Ansicht nach war es nichts als lächerlicher Stolz, wenn er sagte, dass er eher hungern,

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