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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Beobachtungsgabe verfügen. Die Sache wird äußerstenfalls einige Tage dauern. Wir müssen den Fall unbedingt lösen, bevor Ihre Majestät von ihrem Landsitz auf der Isle of Wight zurückkehrt.«
    Er sah Gracie aufmerksam an. »Sofern der Vorfall an die Öffentlichkeit
geriete, käme es zu einem ungeheuren Skandal. Sind Sie bereit, die Aufgabe zu übernehmen? Sie wären dann Mr Pitt unterstellt und müssten jede seiner Anweisungen buchstabengetreu befolgen.«
    »Du musst nicht, wenn du nicht möchtest, Gracie«, warf Charlotte rasch ein. »Die Sache ist gefährlich. Der Mann hat bereits einer Prostituierten die Kehle durchgeschnitten. Niemand würde es dir übel nehmen, wenn du Nein sagtest.«
    Gracies Stimme zitterte, als sie zurückgab: »Das stimmt nich’, Ma’am. Alle würden ’s mir übel nehmen, vor allem ich selber. Ich muss Mr Pitt helfen.«
    »Und Ihrer Majestät«, fügte Narraway hinzu.
    Gracie straffte die schmalen Schultern und reckte sich zu ihrer vollen Größe von gut einem Meter fünfzig. »Un’ dann die Arme, die se umgebracht haben. Wer sorgt da für Gerechtigkeit, wenn nich’ wir?«
    Narraway schluckte und räusperte sich. Auf seinem Gesicht lag der kaum wahrnehmbare Anflug eines Lächelns. »Niemand, Miss Phipps. Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Bitte packen Sie ein, was Sie brauchen. Dienstkleidung stellt man Ihnen im Palast. Ich warte, bis Sie fertig sind, und nehme Sie gleich mit. Je früher Sie Ihre Tätigkeit dort aufnehmen, desto besser.«
    Gracie wandte sich Charlotte zu, um an ihren Augen abzulesen, ob sie wirklich wollte, dass sie ging.
    »Gib auf dich acht«, sagte Charlotte leise. »Du wirst uns fehlen, aber es ist ja nicht lange.«
    »Und was is’ mit der großen Wäsche?«, klammerte sich Gracie besorgt an den letzten Strohhalm häuslicher Sicherheit.
    »Ich lasse Mrs Claypole einen weiteren Tag kommen«, gab Charlotte zurück, »mach dir keine Sorgen. Geh und hilf Mr Pitt. Vermutlich braucht er dich im Augenblick dringender als ich.«
    »Sicher«, stimmte Gracie zu. Mit einem Mal schlug ihr das Herz bis zum Hals. »Zuverlässig« und »ausgezeichnete Beobachtungsgabe« hatte Mr Narraway gesagt. Diese Worte brannten in ihr wie eine Flamme.

    Eine Stunde später stellte Mr Pitt sie im Gästetrakt des Buckingham-Palasts im Zimmer der Wirtschafterin dem Oberdiener Mr Tyndale vor. Mrs Newsome selbst war nicht anwesend, denn außer Mr Tyndale durfte niemand im Palast etwas von Gracies Auftrag wissen – eine heikle Situation, die viel Fingerspitzengefühl verlangte. Als Nächstes erklärte ihr Mr Tyndale ihre Aufgaben und die für Dienstboten im Palast geltenden Verhaltensgrundsätze.
    »Ihre Arbeit hier dürfte sich grundlegend von allem unterscheiden, was Sie bisher getan haben«, sagte er und sah sie dabei zweifelnd an. Es fiel ihm sichtlich schwer zu glauben, dass sie im Auftrag des Staatsschutzes dort war. Es hatte sich gezeigt, dass ihr keins der verfügbaren Kleider passte, selbst das kleinste musste noch gekürzt werden, damit sie nicht über den Saum stolperte.
    »Ja, Sir.« Sie dachte nicht daran, ihm zu sagen, dass sie mit dreizehn Jahren in Pitts Haushalt gekommen war und nie woanders gearbeitet hatte. Mit Genugtuung stellte sie fest, dass auch er nicht besonders kräftig gebaut war, seine Schultern betont straffte und sich bemühte, einige Zentimeter größer auszusehen, als er war.
    »Sie dürfen mit den Besuchern nur sprechen, wenn diese das Wort an Sie richten. Haben Sie das verstanden?«, fuhr er mit gewichtiger Stimme fort.
    »Ja, Sir.«
    »Und unter keinen Umständen dürfen Sie in Gegenwart des Kronprinzen oder der Prinzessin von Wales sprechen, wenn sie kommen sollten, um mit den Gästen zu dinieren, und auch mit keinem anderen Mitglied des königlichen Haushalts. Dazu zählen auch die Hofdamen und Kämmerer.«
    »Gewiss, Sir.«
    »Ihre Pflichten umfassen allgemeine Aufgaben wie Staubwischen, Kehren, Bohnern oder Botengänge, die man Ihnen aufträgt. Dabei müssen Sie jederzeit Ihr Häubchen und Ihre Schürze tragen. Mit den männlichen Dienstboten dürfen Sie ausschließlich dann sprechen, wenn das für die Erledigung Ihrer Dienstpflichten unerlässlich
ist, und jedes Kichern, Herumgetändel oder sonstiges unpassende Verhalten ist untersagt.«
    »Miss Phipps befindet sich im Dienst des Staatsschutzes hier, Mr Tyndale«, fiel ihm Pitt trocken ins Wort. »Sie weiß, wie man sich zu benehmen hat, und braucht lediglich eine Unterweisung in Bezug auf

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