Die Tote von Buckingham Palace
schimmerte, soweit sie nicht die Spuren von nassen Gläsern und Zigarrenasche aufwiesen. Zigarrenasche verunzierte auch den Teppich an verschiedenen Stellen; außerdem sah sie zumindest einen Fleck, der so aussah, als habe man dort eine dunkle Flüssigkeit verschüttet, vielleicht Rotwein.
Ada folgte Gracies Blicken. »Gestern Morgen hätten Se das hier seh’n sollen«, sagte sie und verzog den Mund. »Kein Vergleich.«
Sie holte tief Luft. »Steh’n Se nich’ so faul rum! Fang’n Se an mit Saubermachen.«
»Was ist das da?«, fragte Gracie, den Blick auf den Fleck gerichtet, während sich ihre Gedanken jagten. Ob das wirklich Wein war oder nicht vielleicht doch Blut?
»Das geht Se nix an«, blaffte Ada. »Se tun hier Ihre Arbeit. Es wär besser, Se lern’n schnell, Ihre Ansichten für sich zu behalten un’ keine vorlauten Fragen zu stell’n. Es gibt im Leben zweierlei Vorschriften: die einen gelten für die feinen Herrschaften, un’ die andern für uns. Vergessen Se das nie. Was unsereins denkt, spielt keine Rolle. Klar?«
Gracie richtete sich schwerfällig auf. Ada war ihr bereits zuwider, doch das durfte sie sich nicht anmerken lassen. Sie war dort, um Pitt und Mr Narraway zu helfen. »Mir is’ egal, wie das dahin gekomm’ is’«, sagte sie daher kalt. »Aber wenn ichs wegmachen soll, muss ich wissen, was es is’: Wein, Kaffee, Blut – oder was sons’?«
»Ach so.« Ada schien besänftigt. »Da steht der Lieblingssessel vom Kronprinz, dann is’ das wohl Kognak. Mit Seife und Wasser geht das meiste weg, Natron is’ gut gegen üble Gerüche, un’ Teeblätter helfen bei Staub und so Sachen.«
»Das weiß ich auch«, sagte Gracie würdevoll und bedauerte es sogleich wieder. Immerhin war es denkbar, dass sie irgendwann einmal Adas Hilfe brauchte. Fast wäre sie erstickt, als sie entschuldigend hinzufügte: »Aber ich bin Ihn’ natürlich dankbar, dass Se’s mir sagen. Ich will ja nix falsch machen.«
»Klar«, stimmte ihr Ada zu. »Das wär auch gar nich’ gut, denn dann hätt’ die Newsome Se beim Wickel. Wir müssen uns ziemlich ranhalten und dürfen auf kein’ Fall trödeln. Heute bleiben die Gäste bestimmt nich’ bis Mittag auf’m Zimmer, wie gestern.«
Folgsam machte sich Gracie ans Werk und begann Flecken zu beseitigen, Asche aufzukehren sowie Holz und Marmor auf Hochglanz zu polieren, während Ada feuchte Teeblätter auf den Teppichen verteilte, die sie nach einer Weile wieder zusammenkehrte, nachdem sie den Staub aufgenommen hatten.
Gracie warf einen Blick zum Kamin hinüber. Da um diese Jahreszeit
kein Feuer gemacht zu werden brauchte, gab es dort nichts auszuräumen, doch schien ihr der Marmor nicht ganz sauber zu sein. Sollte sie das sagen, oder würde Ada das als Kritik an ihrer Arbeit auffassen?
»Was glotzen Se so?«, fragte Ada. »Die Arbeit tut sich nich’ von allein.«
»Is’ das da in Ordnung?« Sie wies auf den Marmor.
»Das muss genügen«, gab Ada zurück. »Wenn man das richtig machen will, dauert das ein, zwei Tage, denn da muss man die Paste einzieh’n lassen. Solange Gäste im Haus sind, geht das nich.«
»Was nimmt man denn dafür?«, fragte Gracie.
Mit einem ungeduldigen Seufzer sagte Ada: »Seifenlauge, Terpentin, Pfeifenton und Ochsengalle. Wissen Se eig’ntlich überhaupt nix?«
»Ich mach so was mit Soda, Bimsstein un’ Kalk. Den rühr’ ich in Wasser«, gab Gracie zur Antwort. »Davon geht das gleich weg.«
»Sieh mal einer die Siem’gescheite!« Ada war unübersehbar verärgert. »Un’ wenn die Flecken davon schlimmer werden, wer kriegt dann die Vorwürfe, hä? Wir sind hier im Buckingham-Palast; hier wird alles so gemacht, wie’s sich gehört. An ’n Kamin geh’n Se mir nur mit Sachen ran, die ich Ihn’ sag. Verstanden?«
Gracie schluckte. »Ja.«
»Jetzt kümmern Se sich besser um die Lampenzylinder. Seh’n se zu, dass die nur so blitzen«, sagte Ada und wies auf die Gaslampen. »Die müssen tipptopp sein, ha’m Se gehört? Nich’ der kleinste Fleck, kein Kratzer, kein gar nix. Und falls Se ein’ davon zerbrechen, zieht man Ihn’ das vom Lohn ab … ’n ganzes Jahr lang!« Sie sah mit verschränkten Armen zu, während Gracie erneut einen Lappen ergriff und sich an die Arbeit machte.
Gracie begriff, dass sie sich Ada zur Feindin gemacht hatte – ein schlechter Anfang. Ihre Gedanken jagten sich, während sie überlegte, was sie Mr Narraways Ansicht nach tun konnte, um Pitt zu unterstützen. Dienstboten, das war ihr klar,
Weitere Kostenlose Bücher