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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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steif.
    »Keineswegs, Simnel«, sagte Julius mit ebenso viel Schärfe in der Stimme. Offensichtlich war das kein neuer Streitpunkt zwischen den Brüdern, sondern lediglich die Wiederaufnahme eines alten in anderer Gestalt. »Aber man muss abwägen, ob ein Preis
gerechtfertigt oder zu hoch für das ist, was als Gegenwert geboten wird.«
    »Du bist für die Diplomatie zuständig«, verwies ihn Simnel. »Überlass die Finanzangelegenheiten mir oder Lord Taunton. Mit Geld hast du noch nie gut umgehen können.« Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, schluckte es aber herunter.
    »Ich meinte den politischen Preis«, gab Julius zurück. Es klang müde, als sei das ganze Projekt zu anstrengend, zu belastend und er auf irgendeine Weise davon enttäuscht.
    Offenkundig fiel es Simnel schwer, sein Temperament zu zügeln. Elsas Vermutung nach hätte es einen offenen Streit gegeben, wenn die beiden allein dort gewesen wären: Simnel der Angreifer und Julius derjenige, der sich hätte verteidigen müssen, unter Umständen mit unzulänglichen Mitteln. Konnte man ihm da fehlenden Mut ankreiden? Cahoon hatte viele Fehler, aber feige war er nie gewesen. Am liebsten hätte sie den Teller so weit wie möglich von sich geschoben, musste sich aber mit wenigen Zentimetern begnügen, weil auf dem Tisch nicht genug Platz war.
    Die Lakaien trugen den Gang ab und brachten den nächsten: eine Auswahl aus Kapaun mit Austern, Lammrücken und Rehkeule, dazu verschiedene Gemüsebeilagen.
    Jetzt unterhielt sich Dunkeld mit Lady Parr. Wie bestrickend er sein konnte, mit welchem Nachdruck er seine Intelligenz und die Stärke seiner Persönlichkeit zur Geltung zu bringen verstand! Elsa musste daran denken, wie aufgeregt sie gewesen war, als sie sich in ihn verliebt hatte, und wie sehr sie sich geschmeichelt gefühlt hatte, als er sie fragte, ob sie seine Frau werden wollte. Wäre eine Ehe mit Julius ebenso hohl und inhaltslos gewesen? Sprach er mit Minnie, vertraute er ihr, teilte er ihr mit, was ihn beschäftigte, brachte er sie zum Lachen, ließ er sie an seinen Enttäuschungen und seinem Schmerz teilhaben?
    Lustlos stocherte sie mit der Gabel in einem Stück Kapaun herum und ließ den Blick schweifen. Simnel sah Minnie unausgesetzt an, doch sie schien nichts davon zu merken, hatte offenbar nur Augen für ihren Vater. Auf ihrem Gesicht lag ein grübelnder
Ausdruck, als versuche sie, hinter ein Geheimnis zu kommen, von dem sie nicht recht wusste, was es war.
    Am anderen Ende der Tafel lachte Liliane laut auf. Mit ihren wunderbaren goldbraunen Augen sah sie hinreißend aus. Nur weil Elsa sie so gut kannte, nahm sie in ihrer Stimme einen schrillen Unterton wahr und sah, wie oft ihr Blick hinüber zu Hamilton wanderte, der sein Weinglas zu oft nachfüllen ließ und dessen Augen immer glasiger wurden. Offensichtlich war für Liliane nicht alles so einfach, wie es aussah. Würde nach dem Ende der Mahlzeit jemand Hamilton beim Aufstehen helfen müssen, damit es nicht zu einer peinlichen Situation kam? Das wäre äußerst demütigend, denn dann konnte niemand so tun, als merke man nichts davon.
    Als erneut Gelächter in der Runde aufbrandete, warf ihr Cahoon über den Tisch hinweg einen finsteren Blick zu und bildete mit den Lippen unhörbar die Worte: »Los! Reiß dich gefälligst zusammen!«
    Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Der Vorwurf war berechtigt. Sie wartete, bis sie wusste, worum es bei der Unterhaltung ging, und beteiligte sich dann daran, wie es sich gehörte, obwohl sie Lady Parr nicht ausstehen konnte. Zwar sah sie gut aus, doch hatte ihr Gesicht grobe Züge, und ihre Unterlippe war zu voll. Es kostete Elsa große Konzentration und Mühe, Aufmerksamkeit zu heucheln. Es ging um Malerei, die nicht lange zurückliegende Ruderregatta auf der Themse bei Henley, die alljährlich ein bedeutendes gesellschaftliches Ereignis war, gemeinsame Bekannte, lauter Dinge, die zwar keinem der Anwesenden wichtig waren, aber bei denen man sich auf sicherem Boden bewegte.
    Ein weiterer Gang wurde aufgetragen, diesmal gebratenes Moorhuhn in sämiger weißer Sauce, Vol-au-vent mit Reineclaudenfüllung, Obstgelee, Himbeercreme und Feigenpudding. Natürlich gab es auch dazu wieder Wein.
    Das Dessert stieß auf wenig Gegenliebe: den Herren lag nichts daran, und die Damen hatten bereits mehr gegessen, als ihnen zuträglich war. Elsa sah, wie die Prinzessin leicht zu Lady Parr
hinübernickte. Es war das Zeichen, dass für die Damen der Zeitpunkt

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