Die Tote von Buckingham Palace
gekommen war, sich zurückzuziehen.
Die fortwährende Vorspiegelung von Interesse an der Konversation hatte Elsa ermüdet, und an Olgas gezwungenem Lächeln erkannte sie, dass es ihr ähnlich ging.
Mit wehenden Röcken rauschte Minnie vorüber. Sie war doppelt so lebhaft wie alle anderen. Unaufhörlich huschten ihre Augen umher, sie hörte aufmerksam auf alles, was gesagt wurde, um sich ja nichts entgehen zu lassen. Ihre Neugier schien unersättlich zu sein und sie in beständige Erregung zu versetzen. Elsa ging flüchtig die Frage durch den Kopf, ob sie womöglich wusste, was man der Frau in der Wäschekammer angetan hatte und wer der Täter war. Sogleich wies sie diesen abscheulichen Gedanken als absurd von sich. Sicher kannte Minnie wie immer kein anderes Ziel, als sich von ihrer besten Seite zu zeigen, im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit zu stehen.
Olga straffte die Schultern und folgte ihr gemessenen Schrittes. Sie sah weder nach rechts noch nach links, als sei ihr der Anblick anderer Menschen in diesem Moment unerträglich.
Liliane wandte sich um, bevor sich die Tür des Salons hinter ihr schloss. Elsa nahm an, sie wolle sich mit einem raschen Blick auf Hamilton vergewissern, dass er noch allein stehen konnte, oder ihn gar mahnend ansehen. Dann aber merkte sie, dass ihre Augen zu Julius wanderten, wobei ein Schatten von Verärgerung auf ihre Züge fiel, der sich mit dem Ausdruck von Schmerz vermischte, als habe er ihr etwas abgeschlagen.
Elsa schwirrte der Kopf. Sie hörte, dass Lady Parr etwas sagte, bekam aber nicht mit, worum es ging. Liliane und Julius waren vor ihrer Ehe beide in Afrika gewesen, und zwar zu eben der Zeit, als Eden Forbes dort umgekommen war.
Alle sahen aufmerksam zu Prinzessin Alexandra hin, bevor sie ihre Plätze einnahmen. Elsa wurde aufgefordert, sich neben die Prinzessin zu setzen. Das Gespräch mit ihr würde nicht einfach sein, doch schien sie aus irgendeinem Grund den Wunsch zu haben, sich mit ihr zu unterhalten.
»Ihr Mann ist eine starke Persönlichkeit«, begann sie das Gespräch. Es klang beiläufig, aber sie sah Elsa aufmerksam an. Vielleicht gelang es ihr auf diese Weise, die Antworten ihrer Gesprächspartner zu erraten – was sie nicht verstehen konnte, las sie ihnen von den Lippen ab, und vielleicht erkannte sie am Gesichtsausdruck, was sie beim Sprechen empfanden.
Elsa lächelte. »In der Tat, Ma’am.« Sie neigte zustimmend den Kopf. »Und dies Projekt bedeutet ihm ungeheuer viel.« Sie bemühte sich, kurze Sätze zu machen.
»Das ist mir bewusst«, sagte die Prinzessin. In ihrer Stimme lag ein Anflug von Belustigung. »Es ist ja auch vielversprechend.«
Für wen oder was? Meinte sie Afrika, das britische Weltreich – oder Cahoon? Hatte sie auf seinem Gesicht gelesen, wie sehr er nach Anerkennung hungerte, einen Sitz im Oberhaus und alle damit verbundenen gesellschaftlichen Ehren erstrebte? Gewiss war sie daran gewöhnt, dass man sie wegen ihrer Stellung hofierte und nicht um ihrer selbst willen. Ahnte sie, mit wie vielen anderen Frauen der Prinz tändelte und zu wie vielen er intime Beziehungen unterhielt? Oder war sie nicht bereit, sich mit dieser Vorstellung auseinanderzusetzen, weil sie ihr unerträglich war?
Wie tief würde es Elsa treffen, wenn man ihr hinterbrachte, dass Cahoon ein Verhältnis mit Lady Parr hatte? Nicht besonders. Er würde sie lediglich anwidern, falls er danach zu ihr zurückkehrte. Vielleicht, dachte sie, würde er das gar nicht erst tun. Darin schien ihr eine sonderbare Art der Zurückweisung zu liegen, eine halb ersehnte und halb schmerzliche Einsamkeit.
Wieder stellte ihr die Prinzessin eine Frage. Elsa überlegte, wie schwierig es sein musste, stets diejenige zu sein, die ein Gespräch anzuknüpfen hatte. Aber sie konnte ihr nicht helfen, so sehr sie es gewünscht hätte, denn es gehörte nun einmal zum vorgeschriebenen Verhaltenskodex, dass niemand ungefragt das Wort an Angehörige der königlichen Familie richten durfte.
» Wenn die Arbeiten beginnen, wird Ihr Mann Ihnen gewiss fehlen«, fuhr sie fort. »Oder werden Sie ihn nach Afrika begleiten?«
»Das weiß ich noch nicht, Ma’am«, sagte Elsa.
»Man hat mir gesagt, dass es dort sehr schön sein soll«, fuhr die Prinzessin fort.
Elsa musste sich zusammennehmen. Sie konnte den Ausdruck offener Verachtung auf Minnies Gesicht erkennen.
»Du solltest unbedingt hinfahren«, zischte ihr Minnie zu. »Dann hättest du Gesprächsstoff. Es ist unendlich öde, wenn
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