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Die Tote von Buckingham Palace

Die Tote von Buckingham Palace

Titel: Die Tote von Buckingham Palace Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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richtigen bringen.« Damit hielt er ihr die Flasche hin.
    Mr Sorokine stand auf und nahm sie ihm aus der Hand. »Tragen Sie einfach ab«, forderte er Gracie auf. »Der Lakai wird den Wein bringen, der für den nächsten Gang vorgesehen ist.«
    Gracie nahm die Flasche, erleichtert darüber, dass er die Situation gerettet hatte. »Ja, Sir.« Sie wandte sich um und gab sie Ada, die vor der Tür stand, dann nahm sie mit Biddies Hilfe die Teller vom Tisch.
    Bis sie sie in die Küche gebracht hatte und zurückgekehrt war, hatte man den nächsten Gang aufgetragen, und alle aßen wieder oder gaben sich zumindest den Anschein. Mrs Sorokine schien so aufgeregt zu sein, dass sie nur gelegentlich einen kleinen Bissen in den Mund steckte. Immer wieder machte sie versteckte Anspielungen, als ob sie ihren Vater mit aller Gewalt reizen wollte. Zeitweilig achtete er nicht auf sie, gab ihr aber ein oder zwei Mal eine scharfe Antwort. Gracie sah, wie Mrs Dunkeld zusammenzuckte, als seien diese Spitzen gegen sie gerichtet. Auf ihrem Gesicht lag ein zutiefst unglücklicher Ausdruck, und es schien sie die größte Mühe zu kosten, ihren Schmerz nicht zu zeigen. Gracie überlegte, wie groß ihre Angst sein mochte und ob es dabei um sie selbst oder um eine Tragödie ging, die allen noch bevorstand. Ob die Frau wusste, welcher der Männer am Tisch diese unvorstellbare Tat begangen hatte?
    Wenn Mrs Sorokine nicht zu ihrem Vater hinsah, ruhte ihr Blick auf Simnel Marquand. Soweit Gracie mitbekam, sah sie ihren Mann nicht ein einziges Mal an. Was hatte das zu bedeuten? Wollte sie ihn nicht ansehen, oder wagte sie es nicht?
    Olga Marquand sagte kaum etwas.
    Auch dieser Gang wurde abgetragen und der Rinderbraten serviert. Danach kamen die Nachspeisen auf den Tisch; den Abschluss bildeten Gebäck, Käse und Obst. Gracie brachte es fertig,
alles auf- und abzutragen, ohne einen unverzeihlichen Fehler zu begehen oder etwas fallen zu lassen, bis Ada sie auf dem Gang absichtlich am Ellbogen anstieß, sodass ein ganzer Stapel schmutziger Teller zu Boden fiel. Zwar zerbrach zum Glück keiner, aber es kostete Gracie die nächste halbe Stunde, die Reste einzusammeln und die Flecken aus dem Treppenläufer zu waschen.
    »Hochnäsiges Miststück!«, sagte Ada befriedigt, während sie um sie herumging und betont die Röcke hob, als wate sie durch tiefen Unrat.
    Es kostete Gracie große Überwindung, ihr kein Bein zu stellen. Sie würde mit ihrer Rache warten müssen. Im Augenblick war sie damit beschäftigt, die sonderbaren Empfindungen zu verstehen, die sie bei Tisch beobachtet hatte, und dahinterzukommen, was Mrs Sorokine mit den an ihren Vater gerichteten Äußerungen gemeint hatte. Sie war ganz sicher, dass es mit den Fragen zusammenhing, die sie den ganzen Tag hindurch gestellt hatte. Offenbar hatte sie sich eine Theorie zurechtgelegt und versuchte jetzt, allen mitzuteilen, was sie entdeckt hatte. Vielleicht hoffte sie, auf diese Weise jemandem Angst zu machen, sodass er aus seiner Deckung herauskam und etwas tat, was ihn verriet.
    Das war ein gefährliches Unterfangen, doch schien diese Frau ohne ein gewisses Maß an Erregung nicht leben zu können, ganz gleich, wie gefährlich oder auch moralisch fragwürdig war, was sie tat.
    Möglicherweise aber hatte es gar nichts mit Erregung zu tun, sondern mit Angst, die sie aber so gut verbarg, wie sie konnte, weil der Täter jemand war, den sie liebte. Hatte sie es deshalb nicht über sich gebracht, ihren Mann anzusehen?
    Vielleicht war sie tapfer und sehr ehrlich, selbst wenn es um einen so hohen Preis ging.
    Während Gracie immer wieder Dinge holte, fortbrachte und säuberte, dachte sie fortwährend über die Sache nach. Verglichen damit war ihre Fehde mit Ada ebenso unbedeutend, ärgerlich und unappetitlich wie die Fliegen, welche die Flaschen umsurrt hatten, in denen sich Blut befunden hatte.

KAPITEL 8
    P itt verbrachte eine unruhige Nacht. Er blieb nicht gern über Nacht von zu Hause fort. Außerdem fehlte ihm Charlotte. Seit er für den Staatsschutz arbeitete, durfte er nicht mehr mit ihr über Einzelheiten seiner Fälle reden, wie früher, als es einfach um Morde gegangen war und sie ihm mit lebensklugen Hinweisen geholfen hatte, doch war er ruhiger und fühlte sich besser, wenn sie in der Nähe war und ihm zeigte, dass sie zu ihm hielt und an ihn glaubte.
    Gracie hatte ihm außergewöhnliche Hinweise geliefert. Obwohl er sicher war, dass etwas dahintersteckte, konnte er sie nicht einordnen. Nach den

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