Die Tote von Buckingham Palace
der Frauen umbringt, sodass die Polizei kommen musste. Sicher bleiben die Männer so lange, bis man weiß, wer von uns es getan hat.«
»All das ist jedem von uns bewusst«, sagte Dunkeld mit steinerner Miene. »Dir scheint entgangen zu sein, dass wir uns die
größte Mühe geben, auf zivilisierte Weise miteinander zu essen und uns mit einer gewissen Würde zu benehmen, bis es so weit ist. Immer vorausgesetzt, der Holzkopf von Polizist ist imstande, mehr zu tun, als auf seinem Stuhl zu sitzen und eine endlose Kette dummer Fragen zu stellen. Solange er hier ist, scheint er noch nicht einen Schritt weitergekommen zu sein.«
Gracie war so wütend, dass sie fast erstickt wäre. Aber wenn nun Mr Dunkeld mit seiner Vermutung recht behielte? Außer den Laken der Königin, dem Messer und den Flaschen hatten sie kein einziges Beweismittel in Händen. Auch wussten sie, dass ein besonderes Stück Porzellan zerbrochen war, dessen Existenz von allen Befragten beharrlich geleugnet wurde, und dass man viele Eimer Wasser hin und her getragen hatte. Doch nichts von all dem ergab einen Sinn, nichts passte in einen Zusammenhang. Es drängte sie, dem Mann ins Gesicht zu sagen, dass die Gäste von den Fortschritten, die Pitt machte, ohnehin erst dann etwas erfahren würden, wenn er so weit war, dass er jemanden festnehmen konnte. Doch ihr blieb keine Wahl, als stocksteif an der Wand stehen zu bleiben, als sei sie ein Kleidungsstück auf einem Haken.
Unfassbarerweise sprach Mrs Sorokine aus, was Gracie am liebsten gesagt hätte. »Vielleicht aber weiß er auch schon eine ganze Menge. Uns würde er wohl kaum ins Vertrauen ziehen. Schließlich sind wir die Verdächtigen.«
»Mich würde nur ein hirnverbrannter Dummkopf verdächtigen!«, blaffte Dunkeld sie an. »Ich war bei dem ersten Mord nicht mal in Afrika! Das werde ich ihm auch unter die Nase reiben, falls er einfältig genug sein sollte, mich zu verdächtigen. Und eine Frau wäre zu einer solchen Tat nicht fähig.«
Hamilton Quase stellte sein Glas mit zitternder Hand auf den Tisch. Obwohl es schon halb leer war, schwappte etwas Wein über. »Sie scheinen anzunehmen, dass es sich in beiden Fällen um ein und denselben Täter handelt. Warum eigentlich? Das ist doch überhaupt nicht gesagt. Es kommt bedauerlicherweise immer wieder vor, dass Dirnen umgebracht werden.«
»Finden Sie nicht, dass das ein mehr als sonderbarer Zufall wäre?«, fragte Dunkeld sarkastisch zurück. »Die Tat ist genau auf die gleiche Weise ausgeführt worden wie damals und zu einem Zeitpunkt, da genau dieselben Männer an Ort und Stelle sind. Selbst dieser Hornochse von Pitt dürfte es für mehr als wahrscheinlich halten, dass es sich um denselben Täter handelt. Sollte er das nicht tun, bin ich gern bereit, ihm auf die Sprünge zu helfen.«
»Vielleicht klären Sie ihn bei der Gelegenheit auch gleich darüber auf, wer die Morde in Whitechapel begangen hat?«, regte Quase bissig an. »Jeder hier im Lande wüsste das gern, selbstverständlich mit einer Ausnahme.«
»Das hat damit doch überhaupt nichts zu tun«, merkte Mr Marquand von oben herab an. »Keiner von uns war im Jahr 88 in London.«
»Außer Papa«, sagte Mrs Sorokine. »Du warst hier, das weiß ich, denn ich war auch hier und habe dich gesehen. Wir alle haben gewusst, was mit diesen armen Frauen passiert ist.« Sie lächelte strahlend, wobei ihre Augen ein wenig zu sehr glänzten. »Und für den Fall, dass jemand das für unerheblich hält, gebe ich zu bedenken, dass auch andere von solchen entsetzlichen Taten erfahren und die dann haargenau nachahmen können, vorausgesetzt, sie sind hinreichend geistesgestört oder hinreichend verdorben.«
»Mir ist der Appetit auf Fisch vergangen.« Mit diesen Worten legte Mrs Quase ihr Besteck hin und wandte sich Gracie zu. »Bitte nehmen Sie meinen Teller fort, und tragen Sie den nächsten Gang auf. Sie brauchen nicht zu befürchten, das Gespräch zu stören. Es ist beendet.«
»Gern, Ma’am«, sagte Gracie gehorsam.
»Und holen Sie noch etwas Wein«, fügte Mr Quase hinzu, wobei er ihr die nahezu leere Flasche vor das Gesicht hielt, damit sie das Etikett sehen konnte.
»Nein, danke«, mischte sich seine Frau ein. »Wir haben genug. Tragen Sie einfach ab.«
»Wenn meine Frau keinen Wein wünscht, braucht sie auch keinen zu trinken.« Quase drehte sich schwankend auf seinem Stuhl um, bis er Gracie ansehen konnte. »Ich aber möchte welchen. Holen Sie ihn. Nehmen Sie die hier mit, damit Sie den
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