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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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ich.«
    »Verzeihung, ja.«
    »Und der Wunsch der Schwestern, die patriarchalischen Institutionen in die Luft zu jagen, ist wörtlich zu verstehen, nehme ich an.«
    »Nein, nicht wörtlich. Gewalt und Zerstörung sind Männerspiele.
    Aber wo sie nur können, werden die Schwestern die männlichen Institutionen für ihre eigenen Ziele nutzen. Sie werden sogar lügen; bisher wurden ihre Offenheit und ihr Vertrauen immer mißbraucht.
    Eine Frau wie Janet Mandelbaum ist für mich schlimmer als ein Mann. Sie konspiriert mit Männern gegen andere Frauen. Und wir haben nichts im Sinn mit Frauen, die sich mit Männern zusammen-tun, sei es in ihrer Arbeit oder sonstwo.«
    »Moment«, sagte Kate. »Ich möchte für mich das Recht in Anspruch nehmen, nicht mit Janet Mandelbaum in einen Topf geworfen zu werden. Es gibt Abstufungen.«
    »Wären Sie nach Harvard gegangen, wenn man Sie gefragt hätte?
    Oder Yale? Oder Princeton? Das ist ja alles dasselbe.«
    »Nein, das wäre ich nicht, aber nicht aus den ehrenwerten Motiven, die Sie vielleicht vermuten. Erstens würde man mich in jedes Komitee berufen, als die Alibi-Frau, die überall dabeisitzt, aber nichts zu sagen hat. Zweitens finde ich Harvard, wo seit Generationen alle Männer meiner Familie studieren, entsetzlich selbstgefällig, genau wie sie, und eine Institution wie Harvard sträubt sich gegen 15

    jede Veränderung. In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts schrieb Henry James einen Roman, in dem eine junge Frau einen Besucher durch Harvard führt und ihm alle Gebäude zeigt. Dabei macht sie die Bemerkung, daß in keinem davon Platz für eine Frau ist. Harvard hat sich seither nicht sehr verändert. Vor kaum mehr als zehn Jahren durften Frauen viele der Bibliotheken nicht benutzen.
    Nein, aus welchen Gründen auch immer, ich wäre nicht nach Harvard gegangen, wenn man mich gebeten hätte, und auch nicht nach Yale oder Princeton. Aber trotzdem bin ich in Ihren Augen wie Janet, oder?«
    »Das stimmt.«
    »Warum sind Sie dann hier? Warum schnarcht Jocasta so zufrieden auf meiner Couch? Ich fürchte fast, daß Sie Frauen verachten, die mit dem Patriarchat zusammenarbeiten, aber nichts dagegen haben, diese Frauen für Ihre Zwecke einzuspannen.«
    »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen.«
    »Eine Gewohnheit von mir«, sagte Kate. »So, und jetzt müssen Sie mir nur eins erklären: Wie konnte sich eine echte Schwester je mit Professor Mandelbaum einlassen?«
    Joan streckte ihre Beine aus und saß in einer Pose da, die nur für einen durchtrainierten Körper bequem sein konnte. Daran, wie es um ihre eigene Kondition bestellt war, wollte Kate lieber nicht denken.
    Sie vertrat zwar die Ansicht, daß Sport sehr wichtig für Frauen sei und wilde, aggressive Spiele jungen Mädchen sehr gut täten, war aber selbst Zeit ihres Lebens vor jeder sportlichen Betätigung zu-rückgeschreckt. Spazierengehen war für sie die einzige körperliche Ertüchtigung, bei der sie sich nicht lächerlich vorkam. Ihr schlanker Körper war, wie der größte Teil ihres Vermögens, ererbt und nicht ihr eigenes Verdienst.
    »Wie gut kennen Sie Harvard?« fragte Joan.
    »Überhaupt nicht. Viel zuwenig jedenfalls, um etwas Gescheites damit anzufangen. Eigentlich kenne ich Harvard nur von den Abschlußfeiern irgendwelcher Neffen her. Gehen Sie am besten von völliger Ignoranz aus.«
    »Die Verwaltung der anglistischen Fakultät ist in einem dieser umgebauten Holzhäuser untergebracht, die Harvard im Laufe der Zeit nach und nach aufgekauft hat und für alle möglichen Zwecke nutzt. Das, von dem die Rede ist, hat früher einem Burschen namens Warren gehört, so sagt man jedenfalls, der an Asthma oder Arthritis oder ich weiß nicht was litt. Er hatte die Gewohnheit, auf seinem 16

    rundherum verglasten Balkon zu sitzen, weil er die Feuchtigkeit nicht vertragen konnte, und von dort aus zuzuschauen, wie seine Gäste sich amüsierten. Außerdem soll das Haus einmal ein Versteck für entflohene Sklaven gewesen sein, aber Gott allein weiß, was in Harvard wahr ist und was Legende. Jedenfalls wurde nur wenig verändert, der Balkon hat immer noch seine Glasverkleidung, und im zweiten Stock ist ein antikes Badezimmer mit allem Drum und Dran von damals, einer Badewanne mit Mahagoniumrandung und Toilette mit Ziehkette für die Wasserspülung. Das Ganze wirkt wie das erste Beispiel eleganter Badezimmerausstattung. Die Dusche funktioniert noch. Sie war für Janet voll aufgedreht. Heute dient der Raum als

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