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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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völlig ahnungslos bist. Bitte, Peterson, stürze in keine Schlucht, denn ich brauche jede nur denkbare Unterstützung.
    Irgendein niederträchtiger Millionär hat Harvard eine Million Dollar für einen neuen Lehrstuhl im Fachbereich Anglistik angeboten –
    unter der Voraussetzung, daß er mit einer Frau besetzt wird. Die erfreuliche Tatsache, daß bei uns noch nie eine Frau einen Lehrstuhl hatte, macht uns zweifellos zum geeigneten Opfer seiner Wohltätigkeit. Und keine Chance, sie zu den Historikern oder Literaturwissen-schaftlern abzuschieben! Ich glaube wirklich, diese Hetero-Typen haben mehr Angst vor Frauen als wir. Hopkins meinte neulich doch allen Ernstes, daß man bei Abendgesellschaften nach dem Essen wieder die Geschlechtertrennung einführen sollte. Ich will jetzt nicht zitieren, was Sam Johnson über lehrende Frauen zu sagen hatte, das überlasse ich lieber dem guten Fronsy. Wenn es ja nicht hieße, daß ich für den Rest meines Berufslebens bei jeder Sitzung diese Frau anstarren muß, dann hätte ich meine helle Freude an der Aufregung, die hier herrscht. Aber trotz allen hysterischen Gezeters – Harvard hat offensichtlich nicht die Absicht, eine Million Dollar auszuschla-gen. Und noch mehr: Wer der Spender auch sein mag (hat sich übrigens je einer mit dem Phänomen des männlichen Feministen befaßt?
    Natürlich denkt man sofort an John Stuart Mill), es kursiert das Ge-rücht, falls dieser Lehrstuhl erfolgreich ist, wolle er eine weitere Million für eine zweite weibliche Professur springen lassen. Man weiß wirklich nicht, ob man Beifall klatschen oder sabotieren soll.
    Dir brauche ich wohl nicht zu erzählen, was meiner Meinung nach einigen unserer würdigen und gesetzten Kollegen durch den Kopf geht…

    Frank Williams, Anglistikprofessor, Harvard University, an Fre-derick Held, Anglistikprofessor, Columbia University:

    Lieber Fred,
    Du wirst erraten, warum ich Dir schreibe. Betrachte diesen Brief als offizielle Bitte und schlage uns jemanden vor, eine Frau, die die nötigen Voraussetzungen mitbringt und sich für den Lehrstuhl, der 6

    inzwischen wohl in aller Munde ist, eignet. Unser Präsident denkt nicht daran, das Geld abzulehnen, obwohl er von vielen Seiten unter Druck gesetzt wurde, es zu tun. Meine Meinung zu dem Ganzen werde ich Dir bei nächster Gelegenheit lieber mündlich mitteilen. Da ich – Gott will mich für meine Sünden strafen – der Vorsitzende des Berufungskomitees bin, muß ich einen Vorschlag machen. Ich wende mich also an Dich, weil es bei Euch mehr Frauen gibt und Du außerdem Frauen an anderen Universitäten kennst – dank Deines natürlich zu Recht gerühmten liebenswerten und unvoreingenomme-nen Charakters. Die Dame, die wir suchen, sollte sich einen guten wissenschaftlichen Ruf gemacht haben und, wenn möglich, nicht zu hysterischen Szenen neigen. Wir wurden strengstens instruiert, die Sache zügig anzugehen, und dafür, daß ich mich auf einen Termin festgelegt habe, hat man mir gnädig erlassen, eine Frau in das Berufungskomitee aufzunehmen. Am Radcliffe wird sich großes Geheul erheben – denn schließlich hat man ihnen bei allen Fragen, die mit Frauen zu tun haben, ein Mitspracherecht zugesichert (könnten die Frauen doch nur unter sich bleiben!) –, aber ich bleibe hart. Diese Fakultät fällt ihre letzte nur von Männern verantwortete Entscheidung!
    All die Leichen, die in ihren Gräbern rotieren werden! Ich weiß schon, warum ich mich für die Feuerbestattung entschieden habe.
    Daß Hopkins außer sich ist, brauche ich wohl kaum zu erwähnen.
    Fran hat in einem neuen Roman von Iris Murdoch die ideale Beschreibung der Situation gefunden: Sic biscuitus disintegrat – so schwinden alle Hoffnungen dahin. Mir kommt gerade eine wunderbare Idee. Meinst Du, wir können Iris Murdoch bekommen? Dann würden wir ihren verehrten Gatten, John Bayley, den hervorragenden Literaturkritiker, gleich dazunehmen. Er könnte die Vorlesungen halten (schließlich müssen Ehemänner ja auch noch ein paar Rechte haben), und sie könnte in Ruhe ihre Romane schreiben. Das ist der angenehmste Gedanke, der mir gekommen ist, seit diese lästige Geschichte passiert ist…

    7

Eins
    Desillusionierung im Leben ist das Herausfinden, daß niemand mit dir übereinstimmt… Das Ausmaß, in dem sie übereinstimmen, ist wichtig für dich, bis das Ausmaß, in dem sie nicht mit dir übereinstimmen, von dir vollkommen erkannt wird. Dann sagst du, du willst für dich selbst und Fremde schreiben,

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