Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
bei Harrods fündig“, meinte sie lächelnd, und Mabel dachte: Wo auch sonst? „Wobei das Haus auch nicht mehr das ist, was es einmal war. Seit ihnen die königlichen Wappen und damit der Status des Hoflieferanten entzogen wurden, fehlen die elitären Kunden und immer mehr Touristen tummeln sich in den Verkaufsräumen.“ Verächtlich zog Abigail die Mundwinkel nach unten. „Nun, das Warenangebot ist immer noch unvergleichbar, Selfridges kann da nicht mithalten.“
Mabel kannte natürlich Harrods ebenso wie das Kaufhaus Selfridges und kaufte in beiden regelmäßig ein, denn auch bei Harrods gab es gute Angebote zu reellen Preisen und die Qualität stimmte. Sie wollte sich jedoch mit Abigail nicht auf eine Diskussion über Londons Nobelkaufhäuser einlassen, daher wechselte sie das Thema.
„Ich bin auf Looe gespannt. Ich war noch nie dort, auch früher nicht, nur ein oder zweimal in Polperro.“
„Das Zwillingsstädtchen wird dir gefallen“, versicherte Abigail, während sie in den Wagen stiegen. „East Looe ist etwas größer als Polperro und hat seinen ganz eigenen Charme.“
Da die Einfahrt für Pkw nur für Anwohner und für den Lieferverkehr gestattet war, hielt Justin Parker den Rolls Royce direkt hinter der Brücke am oberen Ende der Fore Street und half den Damen beim Aussteigen. Abigails Kosmetikstudio befand sich nur wenige Schritte von hier entfernt.
„Sie holen uns in drei Stunden wieder hier ab“, befahl Abigail, und der Chauffeur nickte.
„Lassen Sie sich so richtig verwöhnen, Mylady. Nicht, dass Sie es nötig hätten, aber ein paar Stunden der Entspannung werden Ihnen guttun.“
Mabel war über diese Worte eines Angestellten gegenüber seiner Herrin überrascht und meinte, sogar ein Zwinkern in Justins Augen gesehen zu haben. Da Abigail auf die Bemerkung nicht reagierte, sagte auch Mabel nichts, hakte sich bei ihr unter und gemeinsam schlenderten sie die Straße entlang.
„Möchtest du nicht doch mitkommen?“, fragte Abigail. „Was machst du denn sonst die ganze Zeit?“
„Ich werde mir den Ort ansehen.“
„Bei dem Wetter?“ Abigail sah zum Himmel, wo sich schwarze Wolken ballten und den nächsten Regenguss ankündigten.
„Ich bin nicht aus Zucker.“ Mabel lachte und verabschiedete ihre Cousine vor dem Eingang zu einem alten, sehr schön renovierten zweistöckigen Haus, an dessen Tür ein Gold glänzendes Schild mit dem Aufdruck „Annies Schönheitssalon – Pediküre, Maniküre, Gesichts-/ Ganzkörperbehandlungen und Massagen“ angebracht war. Aus ihrer Handtasche nahm Mabel vorsorglich den zusammenklappbaren Schirm, um gegen den Regen gewappnet zu sein. Trotz des schlechten Wetters drückten sich viele Leute durch die engen Gassen. Die meisten waren Touristen, sie trugen Rucksäcke und bequeme Wandersandalen.
Der ältere Teil des Ortes, East Looe, war mit dem kleineren, neueren West Looe durch eine rund einhundertfünfzig Jahre alte, und im letzten Jahrhundert erweiterte, Brücke verbunden, die den Fluss Looe überspannte. Die ursprüngliche, im 15. Jahrhundert erbaute Bogenbrücke, die einst weiter flussabwärts die Ortsteile miteinander verbunden hatte, existierte schon lange nicht mehr. Beide Städtchen waren bedeutende Fischerdörfer gewesen, im Mittelalter hatten sie zusammensogar einen bedeutenden Seehafen gebildet, dessen Schiffe an jeder wichtigen Seeschlacht teilnahmen. Heute spielte der Fischfang keine große Rolle mehr, und nur noch wenige Boote – umkreist von hungrigen Möwen – waren geblieben. Die Fänge, die die Fischer heute einbrachten, dienten lokalen Zwecken, und der Fisch wurde in die zahlreichen Restaurants und Hotels der beiden Ortschaften verkauft. Besonders East Looe war ebenso wie das westlich gelegene Polperro eine Hochburg des Tourismus in Cornwall, dementsprechend hatte sich die Stadt auf den Ansturm der Besucher eingestellt. In den engen, gewundenen Gässchen, die manchmal so schmal waren, dass gerade ein Auto sie passieren konnte, reihte sich ein Souvenirladen an den anderen, dazwischen gab es Schnellimbisse, Tearooms und Kunstgalerien, die fast ausschließlich Werke von einheimischen Künstlern ausstellten und verkauften.
In Mabels Nase stieg der köstliche Geruch von Cornish Pastys, und ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Obwohl sie gut gefrühstückt hatte, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen und kaufte sich eine Pasty mit Lamm und Pfefferminz. Die Teigtasche war kochend heiß und vorsichtig biss Mabel hinein.
Delicious
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