Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
nicht immer so brummig wären.“
Für einen Moment verschlug es dem Tierarzt die Sprache, dann zuckten seine Mundwinkel.
„Eins zu null für Sie, Mabel. Ich weiß nicht, was Sie so alles erlebt haben, da Sie jedoch nicht mehr die Jüngste sind, nehme ich an, eine ganze Menge. Auf jeden Fall hat mich das Leben gelehrt, dass Tiere die besseren Menschen sind. Ein Tier wird Sie niemals enttäuschen, es ist dankbar für jede Aufmerksamkeit und bleibt Ihnen ein ganzes Leben lang treu. Etwas, was man von Menschen nicht erwarten kann.“
Unwillkürlich dachte Mabel an Arthur und Abigail, und wie sie von den Menschen, die sie beide geliebt hatte, enttäuscht worden war. Schnell schob sie die Erinnerung zur Seite, es war lange her, und sie hatte Abigail längst verziehen. Auf der Straße verabschiedeten sie sich, dann musste Mabel sich beeilen, die Fore Street hinauf zum Parkplatz zu eilen. Durch die Plauderei mit Victor waren die drei Stunden wie im Flug vergangen, und der Chauffeur wartete bereits, als sie außer Atem den Wagen erreichte. Eine Minute später kam auch Abigail und Mabel versuchte, ihrer Cousine nicht allzu direkt ins Gesicht zu starren. Ihre Stirn, Wangen und Kinnpartie waren gerötet, und die Kosmetikerin hatte sie fürs Tageslicht viel zu stark geschminkt. Abigail schien die Behandlung jedoch gutgetan zu haben, denn mit einem erleichterten Seufzer ließ sie sich in die elfenbeinfarbenen weichen Lederpolster des Rolls fallen.
„Ah, das tat gut. Das nächste Mal musst du unbedingt mitkommen, Mabel. Jede Frau braucht von Zeit zu Zeit eine Runderneuerung.“
Aus den Augenwinkeln sah Mabel, wie Justin sie im Rückspiegel beobachtete und grinste.
Den Nachmittag verbrachte Mabel damit, die Säume an den Kostümen anzunähen, was sie ausschließlich in Handarbeit tat, obwohl Abigail ihr angeboten hatte, die Nähmaschine zu benutzen.
„Mrs Penrose hat eine im Hauswirtschaftsraum stehen. Oder du gibst ihr die Sachen, dann kann sie sie nähen.“
„Danke, aber ich möchte es selbst machen“, erwiderte Mabel. „Die Kleider sollten so historisch authentisch wie möglich wirken, und vor dreihundert Jahren gab es noch keine Nähmaschinen.“
Abigail zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Geh am besten in die Bibliothek, um diese Uhrzeit ist da das Licht am besten. Ich werde mich in mein Zimmer zurückziehen und etwas lesen. Wir sehen uns dann beim Abendessen.“
Seit ihrer dramatischen Ankunft vor sechs Tagen hatte Mabel die Bibliothek nicht mehr betreten. Als sie nun die Tür öffnete und eintrat, war es, als würde ein eiskalter Hauch über ihren Nacken streifen. In dem Raum war alles unverändert. Im Kamin brannte zwar kein Feuer, es war aber trotzdem nicht kalt, allenfalls ein wenig kühl, aber keinesfalls so sehr, dass Mabel erschauerte. Nein, die Erinnerung an die Ermordete war wieder da, und unwillkürlich sah Mabel zu dem Teppich vor dem Kamin. Fast erwartete sie, das Mädchen dort liegen zu sehen. Mabel legte die Kostüme auf einen Sessel, stellte den Nähkorb, den sie sich von Emma Penrose geliehen hatte, auf das Rauchtischchen und trat vor den Kamin. Sie ging in die Hocke und strich mit der Hand überden Teppich. Aus der Jackentasche holte sie ihre Lesebrille, um besser sehen zu können, und suchte jeden Zentimeter des Bodens ab. Wenn die Frau hier erdrosselt worden war, mussten doch Spuren zu finden sein! Oder der Mörder hatte diese ebenso schnell beseitigt wie die Leiche. Langsam tastete Mabel sich zur Terrassentür vor. Auch hier gab es keine Spuren. Mabel war sich jedoch sicher, würde die Polizei mit einem Team der Kriminaltechnik die Bibliothek genau unter die Lupe nehmen – im wahrsten Sinn des Wortes –, dann fände sich bestimmt irgendetwas. Ein mit dem bloßen Auge nicht sichtbarer Schuhabdruck zum Beispiel oder DNS- oder DNA-Spuren oder wie die Dinger hießen. Dann bräuchten sie nur noch eine DNS-Probe von Sarah Miller und schon konnte festgestellt werden, ob die verschwundene Schauspielerin auf Higher Barton gewesen war oder nicht. Mabel wusste jedoch, wenn sie Chefinspektor Warden mit diesem Vorschlag kommen würde, würde er sie hochkantig vor die Tür setzen. Zum Glück war heute Abend die nächste Probe für das Theaterstück angesetzt. Mabel hoffte, mit den anderen Schauspielern ins Gespräch zu kommen, um mehr in Erfahrung zu bringen. Rachel Wilmington hatte von einer Pension gesprochen, in der Sarah gewohnt hatte. Mabel musste unbedingt herausfinden, um welche es sich
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