Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
haben versucht, sie zu erreichen.“ Rachel sah Mabel an, als wäre sie bekloppt. „Es ist aber abgeschaltet. Eric hat ihr einige SMS geschickt, aber vielleicht hat Sarah das Handy auch verloren und kann die Nachrichten gar nicht lesen. Sie kommt aber bald wieder.“ Rachel nickte nachdrücklich. „Sarah wäre nie fortgegangen, ohne sich von mir zu verabschieden.“
„Dann wart ihr Freundinnen?“ Schnell hakte Mabel nach.
Rachel zögerte, zuckte dann mit den Schultern.
„Mit Sarah wollte jeder befreundet sein.“
„Wie heißt Sarah eigentlich mit Nachnamen?“, fragte Mabel.
„Miller, wieso?“ Rachel sah sie plötzlich skeptisch an, so, als würde sie erst jetzt bemerken, wie sie von Mabel regelrecht ausfragt wurde. „Warum wollen Sie das alles wissen? Und warum wollen Sie uns eigentlich helfen?“ Entgegen Erics Aussage, im Ensemble würden sich alle duzen, wollte Rachelwohl einen gewissen Abstand waren, denn sie blieb beim Sie. Mabel konnte ihr es nicht verdenken, denn immerhin war sie alt genug, um Rachels Großmutter zu sein. Scheinbar desinteressiert zuckte sie mit den Schultern.
„Ach, nur so. Ich verbringe einige Zeit in der Gegend und da ich das Theater liebe, selbst aber nicht zur Schauspielerin tauge, dachte ich, es ist eine gute Idee, etwas zu der Festwoche beizutragen.“
Skeptisch runzelte Rachel die Stirn und sah Mabel zum ersten Mal direkt in die Augen.
„Sie sind nicht von hier“, stellte sie fest. „Ich hab’ Sie in Lower Barton noch nie gesehen.“
Mabel nickte und bemühte sich um ein unverbindliches Lächeln.
„Ich bin für ein paar Wochen zu Besuch in Cornwall.“ Während ihrer nächsten Worte fixierte sie Rachels Blick, damit ihr keine Reaktion entging. „Bei meiner Cousine Abigail Tremaine. Vielleicht kennst du sie, ihr gehört das Landgut Higher Barton, zwei Meilen von hier in Richtung Polperro.“
Mabel hatte gehofft, bei der Erwähnung des Landsitzes, auf dem Sarah ums Leben gekommen war, eine Reaktion bei dem Mädchen feststellen zu können, sie wurde jedoch enttäuscht. Rachel zuckte lediglich mit den Schultern und murmelte: „Klar, jeder hier kennt das Herrenhaus. Ist auch egal, warum Sie gekommen sind, ich bin über Hilfe dankbar. Die ganzen Sachen allein zu nähen, hätte ich nämlich nicht geschafft, und die anderen sind nicht gerade geschickt im Umgang mit Nadel und Faden.“
„Hast du eine Arbeit?“, fragte Mabel direkt.
„Ich kümmere mich um meinen Vater und meine Geschwister“, gab Rachel knapp zur Antwort.
„Und deine Mutter?“
„Ist tot.“ Rachels Gesicht verschloss sich. Sie holte fünf Kleider aus dem Karton und drückte sie Mabel in die Arme. „Hier, wenn Sie bis Freitag die Säume nähen könnten, wäre das nett.“ Sie sah auf ihre Armbanduhr. „Ich muss jetzt gehen.“
Sie verließen den Gemeindesaal durch die Hintertür, die außen statt einer Klinke einen Knauf hatte und hinter ihnen ins Schloss fiel. Rachel nickte Mabel kurz zu, murmelte „Schönen Abend noch“ und eilte dann durch die enge Gasse davon. Als Mabel ihr nachsah, bemerkte sie, wie Rachel das rechte Bein nachzog und hinkte.
Armes Mädchen, dachte sie. Rachel Wilmington hatte ihr Interesse geweckt, denn es war offensichtlich, dass dem Mädchen Sarahs Verschwinden nahe ging. Mabel war für ihren spontanen Einfall, sich um die Kostüme der Theatergruppe zu kümmern, dankbar. Sie war sicher, hier mehr über Sarah Miller in Erfahrung bringen zu können, von der Mabel sicher war, dass es sich um die Tote in der Bibliothek handelte. Alles passte zusammen – Sarah Miller war am Samstag nach der Probe verschwunden, und Mabel hatte die Leiche in den Morgenstunden des Sonntags gefunden. Mabel wusste, es wäre das Vernünftigste, zur Polizei zu gehen und Chefinspektor Warden von Sarah und deren Verschwinden zu erzählen, sie wollte sich aber nicht erneut zum Narren machen lassen, denn offenbar hatte noch niemand eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Mabel würde der Sache allein auf den Grund gehen müssen.
Abigail reagierte gereizt, als Mabel erst nach acht Uhr auf Higher Barton ankam. Sie erwartete ihre Cousine in der Halle und sah sie vorwurfsvoll an
„Wo warst du denn so lange? Ich habe mir Sorgen gemacht und Justin gebeten, den Weg in den Ort abzufahren. Es hätte dir ja auch etwas passiert sein können, eine Panne oder gar ein Unfall!“
Mabel lächelte, umarmte Abigail und küsste sie auf die Wange. Abigail roch nach einem süßen, schweren Parfüm, das so
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