Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
vollkommen zu ihrem Typ passte, als wäre es eigens für sie komponiert worden.
„Ach, der Abend war so schön, da habe ich mir für den Weg Zeit gelassen. Du hast mit dem Essen hoffentlich nicht auf mich gewartet?“
„Nein, ich habe bereits gegessen“, knurrte Abigail sichtlich beleidigt. „Emma Penrose kann dir einen Teller Sandwichs auf dein Zimmer bringen lassen, wenn du Hunger hast.“
„Es tut mir leid.“ Mabel meinte ihre Worte ehrlich. Immerhin war sie Gast auf Higher Barton und ihr Verhalten gegenüber Abigail alles andere als aufmerksam. „Darf ich noch etwas fragen?“
„Was?“ Abigail runzelte die Stirn, und Mabel gab sich einen Ruck.
„Weißt du etwas über das Fest, das in drei Wochen in Lower Barton stattfindet? Das zu Ehren von Mary Lerrick gegeben wird?“
Abigails Augen weiteten sich.
„Du hast dich ja schnell mit der hiesigen Geschichte befasst“, erwiderte sie pikiert. „Wenn du für das Haus, das dir schließlich eines Tages gehören wird, ein solches Interesse aufbringen könntest, würde ich mich freuen. Was weißt du denn von Mary Lerrick und über das Fest?“
In raschen Worten schilderte Mabel, wie sie erst das Plakat gesehen und dann die Broschüre im Touristenbüro entdeckthatte. Selbstverständlich erwähnte sie nicht, dass sie auf dem Cover das tote Mädchen wiedererkannt hatte. Sie musste Abigail jedoch einen Teil der Wahrheit sagen, da sie in der nächsten Zeit oft außer Haus sein würde, zudem lag in ihrem Wagen ein Stapel Kleider, die es auszubessern galt, was sie sicher nicht machen konnte, ohne dass es Abigail erfuhr.
„Ich finde die Geschichte sehr interessant. Darum habe ich mich mit entschlossen, zum Gelingen der Aufführung beizutragen und kümmere ich mich um die Kostüme.“
„Was?“ Abigail ließ sich auf einen Stuhl sinken, von denen rund ein Dutzend an den Wänden in der großen Eingangshalle platziert waren. „Wie kommst du denn auf eine solche Schnapsidee?“
Mabel zuckte mit den Schultern.
„Ach, Nähen macht mir Spaß, und Eric Cardell brauchte noch jemanden, der hilft.“
„Nun dann … es ist deine Sache, Mabel.“ Abigail seufzte. „Vielleicht ist es gar keine so schlechte Idee, immerhin ist Higher Barton seit Jahren in das Spektakel involviert. Am Samstagnachmittag der Festwoche findet ein Basar in unserem Park statt. Die Frauen der Umgebung backen Kuchen, bereiten Puddings zu, fertigen Decken, Topflappen, Kissenbezüge und Häkeldeckchen an, die auf dem Basar verkauft werden. Der Erlös fällt der Kirche zu, denn das normannische Taufbecken bedarf dringend einer Renovierung.“
„Kennst du die Aufführung des Laientheaters?“, fragte Mabel interessiert.
„Früher sind Arthur und ich zur Aufführung gegangen“, entgegnete Abigail. „In den letzten Jahren nicht mehr, es ist doch jedes Jahr dasselbe.“ Sie sah ihre Cousine kopfschüttelnd an. „Wie bist du eigentlich an Eric Cardell geraten?“
„Ach, das war ein Zufall“, erwiderte Mabel ausweichend, was ja auch der Wahrheit entsprach. Zufällig hatte sie das Plakat gesehen und damit den Stein ins Rollen …
„Es geht mich nichts an, was du tust, Mabel.“ Abigail erhob sich und seufzte. „Ich hatte nur gehofft, wir beide würden mehr Zeit miteinander verbringen, nachdem wir so viele Jahre versäumt haben.“
Mabel murmelte eine Entschuldigung und war erleichtert, als Abigail meinte, sie wolle sich zurückziehen. Sie war begierig, die Kleider, die sie aus dem Theater mitgenommen hatte, mit dem Stoffstück, das auf ihrer Kommode lag, zu vergleichen. Schnell holte sie den Packen vom Rücksitz ihres Autos, ging in ihr Zimmer hinauf, warf das Bündel auf ihr Bett und wandte sich dann der Kommode zu. Sie runzelte die Stirn, denn der Stofffetzen war verschwunden, dabei war sie sich sicher, ihn direkt neben die Haarbürste gelegt zu haben. Schnell schob sie alle Gegenstände zur Seite und bückte sich, um nachzusehen, ob er von der Kommode gefallen war. Auf dem Fußboden war er auch nicht zu finden, ebenso wenig in den Schubladen, die Mabel nun eine nach der anderen öffnete und hastig durchsuchte. Nach etwa zehn Minuten sank sie auf den Stuhl und atmete tief ein und aus. Der Flicken war eindeutig verschwunden! Da sie ihn nicht selbst weggeworfen hatte, musste also jemand in ihrem Zimmer gewesen sein und ihn fortgenommen haben. Dafür kam nur Emma Penrose in Frage. Die Haushälterin machte jeden Tag ihr Bett, wahrscheinlich hatte sie heute das Zimmer geputzt und gemeint,
Weitere Kostenlose Bücher