Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
Michael immer noch im Koma liegt und niemand weiß, ob und wann er erwachen wird.“
„Die armen Eltern.“ Elisabeth Wyatt seufzte. „Ich mag mir gar nicht vorstellen, was die Mutter derzeit durchmacht.“
„Clara Hampton ist keine sentimentale Frau“, bemerkte Abigail. „Wahrscheinlich bedauert sie am meisten, dass ihr Sohn bei der Aufführung nun nicht glänzen kann.“ Die Damen Wyatt und Polgreen sahen Abigail befremdet an, die daraufhin sofort ein bezauberndes Lächeln aufsetzte und fortfuhr: „Verstehen Sie mich nicht falsch, keineswegs möchte ich das Leid der Hamptons schmälern und wünsche Michael das Allerbeste. Wir alle wissen jedoch, dass Clara nicht gerade ein ausgeprägter mütterlicher Typ ist, oder?“
„Auf dem Stück scheint ein Fluch zu liegen.“ Laura Polgreen senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. „Erst dieses Mädchen, das die Mary Lerrick spielen sollte, und nun Michael …“
„Sie kannten Sarah Miller?“, sagte Mabel rasch, bevor Abigail das Wort ergreifen konnte, die ihr jedoch einen scharfen Blick zuwarf.
„Kennen ist zu viel gesagt“, antwortete Mrs Polgreen. „Sie hat einmal die Praxis meines Mannes aufgesucht, und da ich am Empfang mithelfe, sind wir uns begegnet. Ein wirklich freundliches und hübsches Mädchen, beinahe das Ebenbild von Mary Lerrick.“ Sie seufzte. „Ach, Sarah hätte die Rolle bestimmt wunderbar dargestellt.“
„Weswegen war sie denn bei Ihrem Mann?“
Laura Polgreen schüttelte den Kopf und sagte streng: „Meine liebe Mabel, das unterliegt selbstverständlich der ärztlichen Schweigepflicht. Ich war allerdings überrascht zu hören,dass sie Lower Barton einfach verlassen hat, ohne jemandem eine Nachricht zu hinterlassen.“
„Was geht uns diese Frau an?“ Scharf unterbrach Abigails Stimme die Unterhaltung. „Jetzt sollten wir uns jedoch wieder auf unsere Arbeit konzentrieren, meinen Sie nicht? Es sind nur noch fünf Tage, und es gibt jede Menge zu tun.“ Sie blickte zu Mabel. „Du wirst am Freitag den Aufbau der Stände überwachen, das macht eine Firma aus dem Ort, und am Samstag jedem Aussteller seinen Platz zuweisen. Außerdem bist du während des Basars die erste Ansprechpartnerin, wenn es irgendwo Schwierigkeiten geben sollte. Jetzt können wir nur hoffen, dass es nicht regnet, ansonsten müssen wir umdisponieren und die Stände in der großen Halle aufbauen.“
„Oh, Petrus hat sicher wieder ein Einsehen“, sagte Elisabeth Wyatt und lachte. „In den letzten Jahren konnten wir den Basar immer draußen stattfinden lassen.“
Als die Damen sich verabschiedeten, schwirrte Mabel der Kopf. Dass Abigail abrupt das Thema gewechselt hatte, als von Sarah Miller die Rede gewesen war, verstärkte ihren Verdacht einer Verbindung zwischen ihrer Cousine und der jungen Frau. Es war richtig gewesen, nach Higher Barton zurückzukommen, denn nur hier konnte sie herausfinden, wer Sarah ermordet hatte. In den nächsten Tagen hatte sie allerdings wenig Gelegenheit, weitere Nachforschungen anzustellen, denn es galt, eine Menge zu erledigen – sie musste jeden Aussteller anrufen und die jeweilige Standnummer durchgeben, außerdem abfragen, ob es bei dem angekündigten Warenangebot blieb. Zusätzlich lag in ihrem Zimmer das Kostüm von Prinz Charles, das sie so schnell wie möglichauf Tims Größe ändern musste. Abigail hatte recht – ihr blieb wirklich keine Zeit, sich dem
Fall Sarah Miller
, wie Mabel es im Stillen nannte, zu widmen.
Nachdem die Damen gegangen waren und Abigail sich in ihre Räume zurückzog, um bis zum Dinner zu ruhen, verspürte Mabel das dringende Bedürfnis nach frischer Luft. Obwohl es regnete und ein kalter Ostwind blies, zog sie sich ihren Mantel über, nahm einen der Schirme, die stets griffbereit in der Halle standen, und ging nach draußen. Ihr fiel auf, dass sie, seit sie nach Higher Barton gekommen war, noch nie durch die Gärten gestreift war. Trotz des grauen Tages standen die Blumenbeete in voller Pracht. Meterlange und über mannshohe Rhododendronhecken blühten in Weiß, Rosa und Feuerrot, früh blühende Rosen verströmten einen köstlichen Duft, und im verwilderten Garten – der so genannt wurde, da es auf den ersten Blick schien, als würde alles wild und unkontrolliert durcheinander wachsen, tatsächlich wurde hier aber jeder Baum und jede Staude ganz bewusst an Ort und Stelle gepflanzt, um diesen Eindruck zu vermitteln – wucherte das Gewächs, das wie überdimensionaler Rhabarber aussah und dessen
Weitere Kostenlose Bücher