Die Tote von San Miguel
ein paar anderen Künstlern von 20 bis 23 Uhr einige neue Gemälde.«
Die Frau blickte an ihm vorbei, hob einen Arm und winkte. Als sich Gregorowitsch halb umdrehte, entdeckte er einen Mann in einem dunklen Geschäftsanzug und eine große Frau in einem Minikleid, die sich ihrem Tisch näherten. »Sie können gern Ihre Freunde mitbringen«, fügte er hinzu.
Seine blonde Wohltäterin stand auf. Sie umarmte zuerst die Frau und dann den Mann, den sie auf beide Wangen küsste.
Die große Frau nickte neugierig in Gregorowitschs Richtung. »Jane«, sagte sie, »möchtest du uns nicht deinen Freund vorstellen?«
Jane wirkte überrascht. »Oh, tut mir leid. Das ist señor Gregorowitsch. Consuela und Leo. Wir haben uns gerade erst auf der plaza kennengelernt. Ein verhungernder Künstler. Er wollte gerade gehen.«
»Ja«, bestätigte Gregorowitsch. »Ich bin praktisch schon weg.«
Der Kellner schwebte mit der Rechnung für die enchiladas herbei und zog sich wieder zurück, als Jane ihm sagte, dass das Essen auf sie ginge. Gregorowitsch schenkte Consuela ein Lächeln und Leo ein Nicken. Als er sich zu Jane umdrehte, berührten sich ihre Hände kurz. Jane zuckte zurück, als hätte sie sich verbrannt.
»Vielleicht sehe ich Sie ja heute Abend wieder«, sagte Gregorowitsch.
Sie wirkte irritiert.
»Auf der Ausstellung.«
»Ach, ja. Vielleicht.«
Nachdem er keinen Grund mehr hatte, länger zu bleiben, verließ er zügig das Café, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Während er zurück Richtung jardín schlenderte und müßig auf einem Zahnstocher herumkaute, wollte es ihm einfach nicht gelingen, Janes Gesicht vor seinem geistigen Auge auszublenden. Nachdem er rund eine Stunde lang ziellos in den Straßen herumgeirrt war, betrat er die Kathedrale La Parroquia und betete um den Weltfrieden – und darum, dass Jane beschließen würde, zur Eröffnung der Galerie zu erscheinen.
Als er wieder im Freien stand und wie ein Maulwurf in der Helligkeit blinzelte, fragte er sich, ob er nach Hause zurückkehren sollte, um die Wogen mit Fran zu glätten. Doch die Aussicht darauf, Jane wiederzusehen, erfüllte ihn mit einem völlig neuen und erregenden Gefühl. Du dämlicher, verrückter Bastard! , dachte er.
Einige Minuten später stand er in der Cantina Gato Negro und trank ein Glas Tequila. Da er einen gewissen Ruf in der Bar hatte, war man dort immer bereit, ihm einen kleinen Kredit einzuräumen. Gregorowitsch schlug seine Ausgabeder Atención auf und las den Bericht über die Frau, die man im jardín ermordet aufgefunden hatte. Amanda Smallwood, so hieß die Tote.
Der Name kam ihm irgendwie vertraut vor. War es möglich, dass er in einem früheren Leben mit ihr geschlafen hatte?
Plötzlich traf es ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Heilige Scheiße! Amanda Smallwood war das schamlose Luder, das für seine letzten Gemälde posiert hatte!
Gregorowitsch gab dem Barkeeper hastig ein Zeichen, ihm noch einmal nachzuschenken.
bisher haben sie mir noch nichts zuleide getan.
aber sie sind dort draußen, flüstern in den finsteren winkeln miteinander, mit stimmen, die gerade eben noch zu hören sind.
manchmal verstecken sie sich in den spiegeln, knapp unterhalb des rahmens, wo man sie nicht sehen kann, solange man sich nicht ganz dicht vor den spiegel stellt und schräg von oben über die kante nach unten blickt. manchmal erhasche ich einen flüchtigen blick auf ihre bewegungen am äußersten rande meines blickfeldes, ein silbernes oder schwarzes aufblitzen oder einen roten spritzer.
rot ist immer am schlimmsten, denn dann weiß ich, dass sie erfolgreich auf der jagd gewesen sind und nun die erlegte beute verschlingen. dann sind ihre münder und wangen blutverschmiert.
manchmal kann ich nur hören, wie sie hinter meinem sofa herumschnüffeln, die hände auf ihre münder und nasen gelegt, oder ich höre sie flüstern, während sie auf zehenspitzenüber das dach des studios huschen. wenn ich dann später hinter dem sofa nachschaue, sehe ich die kleinen gelben pfützen, wo sie uriniert haben. wenn sie auf dem dach waren und zwischen den blumentöpfen mit bougainvillea und geranien gespielt haben, lassen sie dort immer verräterische spuren zurück. abgeknickte pflanzenstängel. heruntergefallene und zerquetschte blüten. manchmal stelle ich ihnen einen teller mit essensresten hin oder bringe ihnen eine tote katze. das scheint sie jedesmal für eine weile zu befriedigen.
am schlimmsten waren sie während des letzten jahres, das
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