Die Tote von San Miguel
Ordnung?«, fragte er verbittert zurück. »Höre ich mich so an? Derselbe Bastard hat vorgestern schon einmal versucht, mich umzubringen. Das kann kein Zufall sein, das stinkt geradezu nach einem abgekarteten Spiel.«
»Was meinst du damit?«
»Wir waren wahrscheinlich gerade kurz davor, dem Mörder von Amanda Smallwood auf die Schliche zu kommen, als ein Verbrecher, den ich vor einigen Jahren hinter Schlossund Riegel gebracht habe, einen der Hauptverdächtigen umgelegt hat, unmittelbar bevor er ein Geständnis ablegen oder uns ein paar Namen nennen konnte.«
»Klingt für mich nach einer ziemlich unwahrscheinlichen Theorie«, meinte Felicia. »Außerdem hat Vega behauptet, ein Alibi für die Tatzeit zu haben.«
Diaz verzog das Gesicht. »Du musst versuchen, außerhalb der gängigen Muster zu denken, Goya.«
»Ja, jefe .«
»Da fällt mir ein, was ist überhaupt aus Vegas pikanter kleinen Statue geworden?«
»Du wirst es mir kaum glauben, Hector …«, begann Felicia und lief dabei so rot an wie eine vollreife Tomate.
Gegen vier Uhr am Nachmittag hatte Diaz folgende Erkenntnisse gewonnen:
1. Der Fahrer des Wagens, den Bass Smallwood am Sonntagmorgen vor seinem Hotel bestiegen hatte, war nicht bis zur Mittagszeit in seinem Büro erschienen und würde höchstwahrscheinlich auch in nächster Zeit nicht dort auftauchen. Bei einer weiteren Befragung des Nachtportiers war herausgekommen, dass ihm der Fahrer, ein unbekannter Mexikaner, fünfhundert pesos zugesteckt und Smallwoods Namen genannt hatte. An der Beschreibung des Wagens hatte sich nichts verändert. Es handelte sich um eine dunkle amerikanische Limousine, Marke und Nummernschild unbekannt.
2. Sofern er keinen falschen Pass benutzt hatte, hatte Bass Smallwood in den letzten 48 Stunden keine Maschine bestiegen, die vom Internationalen Flughafen Guanajuatos nach Dallas, Miami, Mexico City, Tegucigalpa oder sonst wohin geflogen war.
3. Es war noch immer kein Rückruf von Smallwoods Telefonanschluss in Dallas erfolgt. Der Speicher des Anrufbeantworters in seiner Galerie war um zwei Uhr nachmittags voll gewesen. Bass Smallwood schien wie vom Erdboden verschluckt worden zu sein.
4. Trotz Diaz’ Bemühungen, die ausgetretenen Denkpfade zu verlassen, gingen die Ermittlungen im Fall Amanda Smallwood langsam den Bach runter.
Fünf Minuten nach sechs warf er eine Tasche mit allem, was er für eine Nacht außer Haus benötigte, auf die Rücksitzbank des dunkelblauen, nicht als Einsatzfahrzeug gekennzeichneten Ersatzpolizeiwagens und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Felicias Hände lagen entspannt auf dem Lenkrad. Sie wartete, bis sich Diaz angeschnallt hatte, bevor sie den ersten Gang einlegte und das Gaspedal durchtrat. Die Limousine schoss die Calle Canal hinunter, jagte durch das Labyrinth der Nebenstraßen und sprang schließlich über eine Bodenschwelle auf die Fernstraße nach Guanajuato.
Diaz legte den Kopf auf die Nackenstütze und schloss die Augen. Kurz darauf war er auch schon eingeschlafen.
49 Minuten und 17 Sekunden später parkte Felicia am Internationalen Flughafen von Guanajuato. Sie verstauten ihre Dienstwaffen im Kofferraum des Wagens. Der letzte Flug nach Dallas ging um fünf nach acht. Da er hungrig war, besorgte sich Diaz zwei fettige Rindfleischtacos an einem Imbissstand in der Abflughalle. Felicia begnügte sich mit einem alkoholfreien Bier. Während sie langsam daran nuckelte, machte sie sich Gedanken über ihr Verhältnis zu Diaz, sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht.
Kapitel 26
Es war Mitternacht, als Diaz und Felicia den Zollbereich des D/FW International Airport verließen und mit einem Mietwagen die zwei Meilen zum Double Suites Inn fuhren. Blitze zuckten durch die Wolkenbänke am Horizont. Das trockene Präriegras des Winters wogte im kalten Wind.
Diaz bestellte zwei Zimmer bei einem mondän herausgeputzten Portier. Der Mann hatte ganz offensichtlich zu lange in irgendeinem Transvestiten-Nachtclub herumgetrödelt und nicht mehr die Zeit gefunden, vor Dienstbeginn eine Reinigungscreme aufzutragen und sein Make-up zu entfernen. Er klickte wiederholt mit der Computermaus, während er den Zimmerbelegungsplan des Hotels überprüfte. »Es müssen keine benachbarten Zimmer sein«, sagte Diaz.
Der Portier hob eine maulbeerfarbene Braue. Er wusste, weshalb seine mexikanischen Gäste auf zwei getrennte Zimmer bestanden. »Ich habe zwei freie Zimmer in der zweiten Etage, die einander direkt gegenüberliegen«,
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