Die Tote von San Miguel
sie durch die engen Gassen des alten Zentrums von San Miguel, ohne sich zu erinnern, weshalb sie das Hotel überhaupt verlassen hatte. Vor einer weißgetünchten Kirche saßen drei Indianerinnen auf einer Steinbank und vertrieben sich die Zeit mit Strickarbeiten. Zwei Jugendliche, die unter dem Einfluss irgendwelcher Drogen standen, kicherten grundlos über Gott und die Welt. In einem Rinnstein verweste eine tote Taube.
Alles, was sie sah, bestärkte Jane in dem seltsamen Gefühl, dass Unheil drohte.
Gott weiß, mein Leben ist fade wie Spülwasser , dachte sie. Aber verschaffte ihr der zügellose Sex mit einem völlig Fremden wirklich so etwas wie eine raison d’être ? Oder würde sie sich damit nicht eher irgendeine unheilbare Geschlechtskrankheit einfangen?
Mit diesen nagenden Gedanken kehrte sie ins The Pines zurück. Gregori war immer noch fort, die Zimmertür aber nicht abgeschlossen, wie sie es eigentlich hätte sein müssen. Allerdings schien nichts zu fehlen. Das Bett war frisch gemacht worden, und im Badezimmer hingen saubere Handtücher. Wahrscheinlich hatte das Zimmermädchen nur vergessen, die Tür hinter sich wieder abzuschließen.
Jane setzte sich auf den Boden, trank langsam Tequila direkt aus der Flasche und betrachtete ausgiebig Gregoris Gemälde, das sie in all ihrer zerzausten, ungeschminkten nackten Pracht zeigte. Was wohl der gute alte Niles zu dem Bild sagen würde? Wahrscheinlich würde er in das spöttische schnaubende Lachen ausbrechen, das sie so gut kannte.
Langsam senkte sich der Abend herab. Und mit ihm hielten Finsternis, Einsamkeit und Verzweiflung Einzug. Was, zum Teufel, war aus ihrem russischen Liebhaber geworden? Was führte er wohl im Schilde? Zog er sich vielleicht gerade jede Menge Pot mit seinen Künstlerfreunden rein? Oder aber, was viel wahrscheinlicher war, vergnügte er sich damit, irgendein anderes Paar Titten in einer heruntergekommenen bodega zu begrapschen?
Wer war dieser Gregori Gregorowitsch überhaupt? Welche Geheimnisse schleppte er mit sich herum?
Die nackte Glühbirne in der schirmlosen Deckenfassung warf ihr hartes gelbes Licht auf die beiden Sporttaschen, dieGregori in eine der Zimmerecken gequetscht hatte. Jane beäugte sie misstrauisch mit plötzlich neu erwachter Neugier.
arme fran. es ist wahr, ich habe sie nie wirklich geliebt. aber ich habe ihr trotzdem viel zu verdanken. sie hat mich bei sich aufgenommen, als ich völlig am ende war. mich davor bewahrt, in der gosse zu landen.
als ich zum ersten mal höre, wie sie ihren namen flüstern, glaube ich, dass sie einen witz machen.
dann hinterlassen sie mir nachrichten. in meiner sockenschublade. einen zusammengeknüllten zettel in einer schuhspitze. mit kreide auf eine adobeziegelwand gekritzelte botschaften. fran. fran. fran. ich werfe die papierzettel weg, wische die kreideschrift von den wänden. doch ihre flüsternden stimmen werden immer lauter und steigern sich zu einem crescendo.
ich biete ihnen andere an. ein flittchen, das ich auf einer party getroffen habe. eine einsame blondine, die ihre besten jahre bereits hinter sich hat.
nein, sagen sie. fran ist es, die sie wollen.
am ende habe ich keine wahl. sie folgen mir überallhin, verlangen von mir, es endlich zu tun. ihre worte hallen in meinem kopf wider. ich kann nicht mehr schlafen oder mich selbst denken hören.
schließlich tue ich, was sie verlangen.
Kapitel 28
Es dauerte nicht lange, bis ein Team der Spurensicherung des Dallas Police Department eintraf und Diaz’ Vermutung bestätigte. Die ausgehöhlten Holzstreben des Bilderrahmens enthielten Spuren von extrem reinem mexikanischem Heroin.
Die stellvertretende Managerin der Galerie, eine zierliche kleine Frau mit kastanienbraunem Haar, die kurz darauf eintraf, blieb wie angewurzelt in der offenen Tür stehen und betrachtete fassungslos die Verwüstungen. Dann begann sie, heftig zu zittern. Ein Schluck aus einer Cognacflasche, die die Polizisten in Smallwoods Büro gefunden hatten, beruhigte sie ein wenig. Danach paffte sie geistesabwesend an einer Zigarette herum und erzählte ohne Punkt und Komma in einem breiten Südstaatendialekt, von dem Diaz kein Wort verstand.
Felicia schlenderte währenddessen gelangweilt durch die Galerie und betrachtete die auf dem Boden verstreut herumliegenden Gemälde. Gelegentlich rückte sie ein Bild mit dem Fuß zurecht, um es sich besser ansehen zu können.
All das dauerte seine Zeit.
Anschließend bestand Bruccoli darauf, seine
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