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Die Tote von San Miguel

Die Tote von San Miguel

Titel: Die Tote von San Miguel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Woods
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entfernt worden waren, tief ins Fleisch schnitten. Der Rest des schäbigen Mobiliars ihrer Suite im The Pines drängte sich in einer Ecke des Raumes. Gregori Gregorowitsch, der nur in Boxershorts am anderen Ende der Suite stand, trug hektisch Farbe auf die Leinwand auf. »Nicht bewegen!«, rief er, als Jane versuchte, in eine weniger unangenehme Position zu rutschen.
    Während sie ihr schmerzendes Hinterteil wieder auf die raue, harte Sitzfläche des Sessels sinken ließ, erwachte kurz in ihr die niederschmetternde Erkenntnis, benutzt zu werden. Aber gleich darauf war das Gefühl auch schon wieder verflogen. Sie war verliebt. Gregori mit Leib und Seele verfallen und sexuell erregt.
    Die Zeitung, deren Seiten kreuz und quer vor ihren Füßen verstreut herumlagen, war von diesem Tag. Doch Jane hatte das Gefühl, als würde die Zeit stillstehen. Oder als wäre sie irgendwie völlig aus dem normalen Zeitgefüge herausgetreten.
    Die letzten zweieinhalb Tage hatten sie sich im The Pines verkrochen und es wie zwei geile rumänische Kaninchen miteinander getrieben, für die es kein Gestern und kein Morgen gab. Gregorowitschs sexuelle Vorlieben hatten sich als ziemlich langweilig und einfallslos erwiesen. Es war Jane vorbehalten gewesen, ihr Liebespiel mit allerlei Variationen und ausgefallenen Ideen anzuheizen. Sie hatte ihn und sich selbst mit einem Doktor-Krankenschwester-Rollenspiel ineinen Zustand regelrechter sexueller Hysterie gestürzt. Und ihre Verkörperung von Teddy Roosevelt, der mit einer Reitpeitsche den San Juan Hill hinunterjagte, hatte Gregori Gregorowitsch zu beeindruckend verruchten Hochleistungen angespornt.
    Da er völlig abgebrannt war, blieb es Jane überlassen, für die Zimmermiete und die Verpflegung aufzukommen. Sie rechnete ständig damit, irgendwann aufzuwachen und feststellen zu müssen, dass sich ihr Liebhaber mit all ihrem Bargeld und den Kreditkarten aus dem Staub gemacht hatte. Aber jedes Mal, wenn sie die Augen öffnete, war er noch da, bereit für den nächsten wilden Fick, der die verschlissene Federkernmatratze ihres Bettes wie die Stoßdämpfer eines alten, mit Vollgas über einen holprigen Feldweg rasenden Chrysler LeBaron quietschen ließ.
    Jetzt, um den späten Vormittag herum, trat Gregorowitsch, der mittellose Maler, besessene Künstler und fleißige Liebhaber, von dem in Arbeit befindlichen Bild Jane Ryders zurück, das er an einer geraden Stuhllehne befestigt hatte, und betrachtete nachdenklich sein Werk. Auf dem Boden zu seinen Füßen standen zwei billige Sporttaschen und eine alte Schreibmaschine, die er im Verlauf eines nächtlichen Raubzugs aus seinem alten Atelier entwendet hatte. Aus einer Nylontasche, deren Reißverschluss offen stand, ergossen sich jede Menge Pinsel und Farbtuben wie die Eingeweide einer Opferziege über den Boden. Jane verspürte plötzlich das Bedürfnis, diese Eingeweide zu lesen, um herauszufinden, welche Schwierigkeiten sie ihr für die nächste Zukunft prophezeiten. Schließlich konnte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis ihre verrückte Affäre in eine Katastrophe mündete.
    Gregori warf einen Blick auf seine schäbige digitale Armbanduhr. »Scheiße! Ich bin spät dran für mein Treffen mitDillinger. Ich muss unbedingt rausfinden, wie die Ausstellung gelaufen ist. Wie viele von meinen Bildern sich verkauft haben.«
    Er schlüpfte in eine mit Farbe bekleckerte Jeans, kramte in der zweiten Reisetasche herum und förderte ein sauberes T-Shirt zutage, das er überstreifte.
    Jane beschloss, dass sie es riskieren konnte, sich aus dem abgenutzten Rattansessel mit seinen scharfen Spitzen und Kanten zu erheben. Sie war kaum aufgestanden, als Gregori zu ihr eilte und ihren nackten Körper mit Küssen bedeckte.
    »Ich bin so bald wie möglich zurück«, sagte er und war auch schon verschwunden.
    Nachdem sie zum ersten Mal seit zweieinhalb Tagen wieder ganz allein war, machte sie es sich auf dem Bett gemütlich und räkelte sich ausgiebig. Dann las sie die Zeitung und entsorgte sie anschließend zusammen mit den Überresten des mitgebrachten Essens im Mülleimer. Das Bett knarrte, als sie sich schwungvoll daraufwarf.
    Schließlich zog sie das gelbe Sommerkleid an, das sie am Samstag auf dem Weg zur fiesta gekauft hatte, und verließ das The Pines , um sich einen billigen Thriller zu besorgen, mit dem sie die Zeit bis zu Gregoris Rückkehr totschlagen wollte. Ihre Schritte hallten hohl von den Wänden des kahlen Hotelflurs wider.
    Kurz darauf schlenderte

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