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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Ungarn droht schon wieder ein Aufstand.“
    Gustav teilte die Meinung seines Vaters. Rudi hatte ja letztens angedeutet, dass die Staatspolizei die Aufklärung dieses Falles übernehmen würde, und natürlich würden die Geheimen wie immer das tun, was im Interesse des Kaisers von Österreich-Ungarn liege.
    Graf Traunstein, dem das respektlose Gerede seines Schwiegervaters und des Erzherzogs nicht zu be­hagen schien, drängte nun darauf, wieder zu den Damen zurückzukehren.
    Gustav war das nur recht. Er wollte unbedingt noch mit Marie Luise von Batheny reden. Und zwar allein. Als er endlich neben ihr auf einem Sofa saß, überlegte er, wie er den Überfall möglichst taktvoll zur Sprache bringen könne. Marie Luise kam ihm zuvor.
    „Mein Vater hat mir empfohlen, mit Ihnen ganz offen über mein schreckliches Erlebnis im Schlosspark zu reden.“
    „Ich bitte Sie darum. Erzählen Sie mir, woran Sie sich erinnern. Alles kann wichtig sein. Jede Kleinigkeit.“
    „Also gut. Ich bin auf dem Steinmäuerchen des Bas­sins vor der römischen Ruine gesessen und habe die steinernen Flussgötter Donau und Enns betrachtet. Es ist einer meiner Lieblingsplätze im Schlosspark. Vor allem am frühen Abend, kurz bevor der Park seine Pforten schließt, ist man hier, am Fuße des bewaldeten Schönbrunner Berges, meist ungestört. Kennen Sie die römische Ruine?“
    „Ich war schon mal dort. Kann mich aber nicht mehr genau erinnern.“
    „Das ganze Ensemble ist recht imposant. Über einem mächtigen Torbogen, auf halber Höhe des Hanges, wacht Herkules, mit dem dreiköpfigen Höllenhund Zerberus und den personifizierten Lastern kämpfend, während er schon auf der besiegten schlangenköpfigen Hydra steht. Der Rundbogen mit den seitlichen Mauerflügeln erweckt den Eindruck eines antiken Gebäudes, das in den Boden versinkt. Die Vergänglichkeit alles Irdischen war mir an diesem Spätsommertag schmerzlich bewusst. Seit ich die Nachricht vom Tod meiner geliebten Kaiserin und vertrauten Freundin erhalten habe, suche ich mehr denn je die Stille und Einsamkeit. Die hochoffizielle Trauer war nicht meine Trauer. Ich hatte keine Tränen, empfand nur eine schreckliche Leere. Das ganze Leben erschien mir auf einmal sinnlos.“
    Gustav fragte sich, wann sie endlich zur Sache kommen würde.
    Marie Luise schien seine Ungeduld nicht zu bemerken. Bedächtig fuhr sie fort: „Ein leises Rascheln hat mich aus meinen Gedanken gerissen. Ich hab mich umgedreht. Doch weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Aber es kam wieder, dieses kaum wahrnehmbare Knacken und Rascheln. Ich habe Gänsehaut bekommen und mich fröstelte. Da hab ich plötzlich einen fremden Atem in meinem Nacken gespürt. Und ehe ich mich umdrehen konnte, haben sich zwei schwarz behandschuhte Hände um meinen Hals geschlossen. Ich konnte gar nicht mehr schreien, wollte nach den Händen greifen, doch meine Gliedmaßen haben mir nicht mehr gehorcht, ich war vollkommen hilflos. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Und auf einmal wurde alles schwarz vor meinen Augen. Als ich erwachte, lag ich auf dem Kiesboden vor dem Bassin und über mir stand Herkules und starrte mich finster an.“
    Gustav runzelte seine hohe Stirn.
    „Nein, natürlich war es nicht Herkules, sondern unser Gärtner Frantischek. Inzwischen glaube ich nicht mehr, dass er mir etwas antun hat wollen. Das habe ich nur im ersten Schock gedacht. Er hat mir sogar geholfen aufzustehen. Aber kaum war ich wieder auf den Beinen, bin ich davongelaufen.“
    Gustav hätte ihr gern noch ein paar Fragen gestellt, doch nun gesellte sich der Erzherzog zu ihnen. Man plauderte über Belanglosigkeiten und Karl Konstantin lud Gustav für nächste Woche Dienstag zu einer Partie Billard im Café Dommayer ein.
    Gustav nahm einen Fiaker nach Hause. Als er bei den k.k. Hofstallungen ausstieg, geriet das Kleiderbündel vor dem Tor in Bewegung. Die vermummte Gestalt kam ganz dicht an ihn heran. Ein furchtbarer Gestank stieg ihm in die Nase. Er zuckte zusammen, obwohl er wusste, dass es sich um die verrückte Alte handelte, die ihn seit Tagen verfolgte.
    „Haben S’ ein paar Kreuzer für mich, Euer Hochwohlgeboren?“
    Gustav kramte in seiner Hosentasche und warf ihr ein paar Münzen vor die Füße, da es ihn davor ekelte, ihre aussätzige Hand zu berühren.
    „Er hat sich wieder eine schöne Dame geholt, gell“, sagte sie leise.
    „Lass mich in Frieden!“ Gustav schritt rasch weiter durchs Tor.
    Das diabolische Kichern der Obdachlosen

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