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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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ernsthaft Sorgen um Marie Luise zu machen. Vielleicht hatte sie sich den Überfall im Schlosspark von Schönbrunn doch nicht nur eingebildet?
    Die meisten jungen adeligen Damen in Wien schwärmten für die Kaiserin und eiferten ihr nach. Gustav wurde ganz angst und bang um all diese unschuldigen Epigoninnen Ihrer Majestät.
    Er wollte seine Gedanken sogleich seinem Freund Rudi mitteilen, doch dieser war vollauf mit dem Gerichtsmediziner und der Staatspolizei beschäftigt, die gerade am Tatort eingetroffen waren.
    Gustav nahm einen Fiaker nach Hause, stieg am Ende der Mariahilfer Straße aus und betrat die k.k. Hofstallungen wie gewohnt durch den Seiteneingang.
    Sobald das schwer Tor hinter ihm ins Schloss fiel, näherte sich ihm wieder die alte Obdachlose. Es schien, als hätte sie auf ihn gewartet.
    „Der Leibhaftige hat ihr sein Zeichen eingeritzt, den Dreizack, das Signum des Herrschers der Unterwelt“, krächzte sie.
    „Wovon sprichst du?“
    „Ich hab ihn gesehen“, flüsterte sie aufgeregt. „Euer Hochwohlgeboren müssen ihm das Handwerk legen.“
    Obwohl sich Gustav nicht auf ein Gespräch mit dieser Irren einlassen wollte, blieb er stehen.
    „Luzifer wird sie alle zu sich holen, wenn Sie ihn nicht aufhalten.“
    Kopfschüttelnd wandte er sich ab.
    „Nun hat die dritte Sünderin dran glauben müssen. Die Zahl Drei ist eine heilige Zahl ...“

18
    Gustav und Graf Batheny hatten sich um zehn Uhr früh im Café Landtmann am Franzensring verabredet, da der Graf einen Termin im gegenüberliegenden Wiener Rathaus hatte. Es ging um Genehmigungen für die Umbauten an seinem Stadtpalais.
    Im Café Landtmann verkehrten vorwiegend Ärzte und Medizinstudenten. Dorothea beneidete Gustav um jeden Besuch dort. Wie gern hätte sie sich unter die angehenden Mediziner gemischt und sich an ihren fachlichen Diskussionen beteiligt. Doch es ziemte sich nicht für eine junge, ledige Dame, ein Kaffeehaus zu betreten.
    Gustav suchte das Landtmann gerne auf, weil es dort eine große Auswahl an Zeitungen gab, darunter auch englische und französische Blätter. Er vergaß völlig darauf, wegen der Unpünktlichkeit seines Vaters beleidigt zu sein, so sehr war er in die Lektüre der Tages­zeitungen vertieft.
    Die schönen Toten von Schönbrunn oder noch schlimmer: Der Wiener Jack the Ripper noch immer nicht gefasst!, lauteten die Schlagzeilen der österreichischen Blätter. Die Wiener Polizei wurde in allen Artikeln scharf kritisiert. Auch die internationalen Zeitungen berichteten über die Mordfälle am österreichischen Kaiserhof und sparten nicht mit Spott und Häme, was den schwerfälligen Polizeiapparat der österreichisch-ungarischen Monarchie betraf.
    Armer Rudi, dachte Gustav. Er befürchtete, sein Freund musste diese Anschuldigungen allein aus­baden, denn seine Vorgesetzten würden sich garantiert an ihm abputzen.
    Graf Batheny entschuldigte sich für seine Verspätung: „Es gab wieder mal eine antisemitische Demonstration an der Universität“, sagte er. „Da waren solche Menschenmassen unterwegs, dass ich nicht rechtzeitig zu meinem Termin im Rathaus gekommen bin. Der Beamte hat Verständnis für meine Verspätung gezeigt und mir die Genehmigung für die geplanten Umbauten anstandslos erteilt.“
    Gustav, dem bürokratische Angelegenheiten völlig gleichgültig waren, bat seinen Vater, ihm von den Unruhen an der Universität zu erzählen.
    „Die Deutschnationalen Burschenschaften haben einen Krawall angezettelt. Ich fürchte schon seit Jahren, dass etwas Nationales in die Leute gefahren ist. Aufgestachelt durch die antisemitischen Hetzreden der Schönerer-Anhänger haben sich auch Hand­werker und kleine Gewerbetreibende lautstark gegen die Ostjuden und die Verjudung der deutschen Kultur geäußert. Es ist zu Prügeleien gekommen. Einige jüdische Studenten mussten ins Hospital gebracht werden.“
    „Ich begreif das einfach nicht“, sagte Gustav. „Die Juden gehören doch zu den klügsten Köpfen in diesem Land. Außer ihnen leben ja eh fast nur arme Trottel in unserem heiligen Reich deutscher Nation. Schau dir das Volk an. Nichts als Dummköpfe, biedere Klein­bürger, sture Beamte und dekadente, ungebildete Adelige. Verzeihung, ich meine nicht Sie …“
    „Ich bin ganz deiner Meinung. Vor allem finde ich es empörend, dass Juden als nicht satisfaktionsfähig gelten. Weil sie ehrlos geboren sind, behaupten diese deutschnationalen Radaubrüder. Stell dir nur vor, alle meine jüdischen Freunde, Baron von

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