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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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Frantischek, der ja angeblich deine Halbschwester belästigt hat, aus seiner Zelle geholt, weil dieser Zoran immer wieder seinen Namen gestammelt hat. Und der hat uns das Kauderwelsch übersetzt. Die beiden scheinen miteinander befreundet zu sein. Ich les dir das Protokoll der Aussage vom Frantischek, oder besser gesagt von diesem Zoowärter vor. Hör zu: „Der Zoran hat Schreie in der Nähe vom Tigerkäfig gehört und ist gleich hinüber. Es war nicht ganz finster. Der Mond hat geschienen. Außer­dem kennt er sich dort aus. Er hat gewusst, woher das Geschrei gekommen ist. Und auf einmal hat er die beiden gesehen. Sie sind ganz nah beieinander gestanden. Der Zoran hat sich hinter einem Baum versteckt und sie beobachtet. Die Dame hat geschrien, und der Mann hat sie geschüttelt. Als sie nicht aufgehört hat zu schreien, hat er sie weggestoßen. Sie ist auf die Erd gefallen und hat noch mehr geschrien. Auf einmal hat sie aufgehört und angeblich ganz laut zum Lachen angefangen. Der Zoran hat genau gehört, was sie zu dem Mann gesagt hat. Einen Deppen hat sie ihn genannt und ob er wirklich glauben würd, dass sie ihn liebt, hat sie ihn gefragt. Sie hätte nix Besseres gefunden als ihn und ihn nur genommen, weil er so einen, nein, das kann ich nicht sagen …, na gut, weil er so einen schönen Allerwertesten hätte, hat sie angeblich gesagt. Der Zoran hat gemeint, sie wär verrückt, denn sie ist am Boden liegen geblieben und hat gelacht und gelacht. Und dann hat sie zu dem Mann gesagt, dass er eh nichts zusammenbringen und nur schön ausschauen würde. Daraufhin ist der Mann richtig bös geworden. Hat die Mistgabel gepackt und sie ihr in den Bauch gestoßen. Sie hat wieder geschrien wie am Spieß. Das hat ihn noch wütender gemacht. Er hat sie gepackt und in den Tigerkäfig gezerrt. Nach der Fütterung hatte der Zoran vergessen, die Tür wieder abzuschließen. Deswegen hat er sich auch schuldig an ihrem Tod gefühlt. Der Mann ist dann weggelaufen, hat sich nicht mehr um die Frau im Käfig gekümmert. Sie hat geflennt und gejammert. Ihr Blut ist auf die Erd getropft. Der Zoran wollt ihr helfen, als der Mann weg war, hat sich aber nicht getraut, weil die zwei Wildkatzen haben längst das Blut gerochen und sich auf die arme Frau gestürzt. Was hätte der Zoran machen sollen? Hineingehn?“
    „Dann hätten sie ihn sicher mit verspeist“, murmelte Gustav.
    „Dieser Zoran ist ein sehr großer, kräftiger Mann und sieht aus wie ein Monster. Sein Gesicht ist schief, nichts ist am richtigen Platz, weder die Augen noch der Mund, alles ist verzerrt. Er ist ein armer Teufel, ein Krüppel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er der Täter ist. Das würd den feinen Herrschaften so passen: Eine halb schwachsinnige Missgeburt als Frauenmörder von Schönbrunn ...“
    „Du hast sicher Recht“, unterbrach Gustav seinen Freund, „das ist zu einfach. Wie soll der Kerl in die Gemächer Ihrer Majestät gelangt sein und zum Beispiel Clementine von Reichenbach in der Badewanne der Kaiserin ermordet haben? Er wäre nicht einmal bis zum Stiegenaufgang gekommen. Dieser Verdacht erscheint mir auch völlig absurd.“
    „Der Gerichtsmediziner hat übrigens bestätigt, dass die Dame, als sie in den Tigerkäfig gestoßen wurde, noch am Leben war. Der Stich mit der Mistgabel war nicht tödlich, hatte nur zu großem Blutverlust geführt. Die Frau des Rittmeisters scheint also bei lebendigem Leibe von den Tigern zerfleischt worden zu sein. Das kann man aber dem Idioten nicht anlasten. Würdest du es mit zwei hungrigen Tigern aufnehmen?“
    „Niemals!“
    „Eben.“
    Mittlerweile waren sie am Tatort angelangt. Beim Anblick der toten Rittmeistersgattin musste sich Gustav sehr zusammenreißen.
    Die Tiger hatten den Kopf der Dame verschmäht, sich nur an ihrem Körper delektiert. Als Gustav die nahezu unversehrten Gesichtszüge der Toten sah, wurde ihm plötzlich klar, dass sie, genauso wie die beiden anderen ermordeten Frauen, der jungen Kaiserin wie aus dem Gesicht geschnitten war. Graf Batheny hatte eine verblüffende Ähnlichkeit ja schon bei der ersten Toten festgestellt. Damals hatte Gustav der Bemerkung seines Vaters keine allzu große Bedeutung beigemessen. Doch nun fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Selbst seine Halbschwester besaß eine gewisse Ähnlichkeit mit der Kaiserin. Vor allem ihre breite, kräftige Nase ähnelte jener der Kaiserin, die auch nicht gerade ein Stupsnäschen gehabt hatte. Zum ersten Mal begann sich Gustav

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