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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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diese Damen in Schönbrunn eifersüchtig auf sie waren, weil sie in Sisis Gunst stand. Sie haben ihr das Leben schwer gemacht. Aber sie hat sich nie darüber beklagt, nicht einmal eurem Vater gegenüber. Jetzt, nach dem Tod der Kaiserin, sei es jedoch besonders schlimm für sie geworden, hat sie gesagt. Marie Luise wird von den Hofdamen richtiggehend angefeindet. Und all das nur, weil Ihre Majestät deine Halbschwester einige Male als Begleiterin auf ihre Reisen nach Bad Kissingen, Korfu und Triest mitgenommen hat. Mit ihr konnte sie sich über ihre poetischen Versuche austauschen. Außerdem hat sie Marie Luise sicherlich an ihre eigene Jugend erinnert, denn deine Schwester ist ebenso groß und schlank und hat fast dasselbe dichte lange Haar wie die Kaiserin. Nur falls dir das noch nicht aufgefallen sein sollte. Die Kaiserin hat ihr eingeredet, dass die Ehe für eine Frau ein Gefängnis sei, und ihr abgeraten, Karl Konstantin zu heiraten. Der Erzherzog ist angeblich ein entfernter Cousin von Ihrer Majestät. Laut Marie Luise hat Sisi behauptet, dass er von schlechtem Blut sei und sie besser keine Kinder von ihm bekommen solle.“
    „Blödsinn. Der Erzherzog ist keineswegs mit der Kaiserin blutsverwandt, das hätte er mir erzählt.“
    „Du irrst dich, Gustl, er soll mit der ganzen bayerischen Rasselbande von Herzog Max verwandt sein. Du studierst doch andauernd den Gotha, ich als überzeugte Republikanerin kenne mich mit diesen Adelsgeschlechtern nicht aus.“
    „Alle Mitglieder der europäischen Herrscherhäuser sind untereinander verwandt, deswegen sind noch lange nicht alle degeneriert oder debil.“
    „Auffallend viele, sieh dich nur an“, kicherte Dorothea und stieß Gustav ihren Ellbogen in die Seite. Dann wurde sie wieder ernst und sagte: „Lass uns jetzt endlich zurück zu Marie Luise gehen.“
    Gustav blieb nichts anderes übrig, als Dorothea zu folgen. Kaum hatten sie links und rechts neben Marie Luise Platz genommen, sagte diese: „Wo seid ihr so lange gewesen? Dein Lackaffe hat dich gesucht.“
    Gustav fand, dass Dorotheas Lachen ziemlich gekünstelt klang.
    Schon begann Marie Luise wieder, wie so oft, über die verstorbene Kaiserin zu sprechen. Gustav und Dorothea ließen sie reden und hörten ihr zu. Sehr aufmerksam Dorothea, weniger aufmerksam Gustav.
    „Ihre Majestät hat mir bei unserer ersten Begegnung vorgelesen, was sie vierzehn Tage nach ihrer Hochzeit geschrieben hat: ‚Ich bin erwacht in einem Kerker, schockiert über strenges Zeremoniell und kalte Etikette …‘ Ich fühle mich momentan ganz ähnlich.“
    „Du Arme“, sagte Dorothea und warf Gustav einen drohenden Blick zu, als er den Mund öffnete, um ebenfalls einen Kommentar abzugeben.
    „Als junge Frau hat sie den Geruch von Säuglingen nicht ertragen, ihr ist richtiggehend schlecht davon geworden. Vielleicht hat sie sich deshalb nicht um ihre Kinder kümmern können?“, meinte Marie Luise.
    „Ich habe gehört, dass ihre Schwiegermutter, die Erzherzogin Sophie, ihr die Kinder entzogen hat“, brachte sich Dorothea ein.
    „Ja, das stimmt auch. Jedenfalls war die Mutterschaft nicht reines Glück für sie, obwohl sie ihre Kinder abgöttisch geliebt hat, vor allem Marie Valerie.“
    Gustav hielt Marie Luise für ziemlich überkandidelt, während Dorothea sie mittlerweile eher als interessanten Fall betrachtete. Gustav, der von ihrem Traum, Psychiaterin zu werden, wusste, überließ es ihr, die Redelust seiner Halbschwester hin und wieder mit Fragen zu nähren.
    Geschickt brachte Dorothea das Gespräch nach einer Weile auf den drohenden Untergang der Monarchie.
    „Unsere Kaiserin war eine glühende Republikanerin“, behauptete Marie Luise, „und ich teilte ihre Sympathie für die Republik“, stieß sie heftig hervor, als sie Dorotheas skeptischen Blick bemerkte. Augenblicklich wurde sie Gustav eine Spur sympathischer.
    Erzherzog Karl Konstantin gesellte sich zu dem Dreiergespann und lauschte eine Weile ihrer Unterhaltung.
    „Ihr wollt meinen Kopf unter der Guillotine sehen“, sagte er nach einer Weile und verbeugte sich tief vor Dorothea und Marie Luise.
    „Stanzi benimmt sich gern wie ein Hanswurst“, erklärte Marie Luise entschuldigend. „Du bist albern“, sagte sie zu ihrem Verlobten und kümmerte sich nicht weiter um ihn.
    Dorothea und Gustav wunderten sich über das Verhalten der beiden. Sie schienen überhaupt nicht aneinander interessiert zu sein, obwohl sie seit fast einem Jahrzehnt miteinander verlobt

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