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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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will und werde Dich nicht mehr treffen, egal, womit Du mir drohst. Es ist aus zwischen uns, sieh das endlich ein. Ich liebe Dich nicht, habe Dich nie geliebt. Du warst nur einer von vielen, mit denen ich diese schreck­liche Langeweile zu bekämpfen versucht habe. Solltest Du es wagen, mich mit meinen Briefen zu erpressen, werde ich Dich in der Wiener Gesellschaft unmöglich machen und dafür sorgen, dass keine der hochherrschaftlichen Damen mehr Deine Dienste in Anspruch nimmt. Glaub mir, ich besitze die Macht, Dich zu vernichten. Auch wenn Du Dir einbildest, zu unseren Kreisen zu gehören, bist Du nichts anderes als ein dienstbarer Geist für unsereins.
    Am liebsten hätte Gustav sofort seinen Freund Rudi über den Fund informiert. Doch der Polizei-Oberkommissär weilte bestimmt nicht mehr im Wirtshaus seines Vaters. Vermutlich würde er ihn auch nicht in seinem Büro in der Polizeidirektion antreffen, denn Rudi war kein Schreibtischhengst, sondern meist in den Straßen und Gassen der Kaiserstadt unterwegs.
    Gustav steckte die Briefe in seine Jackentasche und überlegte, was er sonst noch mitgehen lassen könnte, damit es nach einem gewöhnlichen Einbruch aussah. Da ihm nichts von Wert ins Auge fiel, warf er einen Stuhl um und leerte den Inhalt der Schreibtischschubladen auf den Boden.
    Als er Schritte im Stiegenhaus vernahm, zuckte er zusammen, hoffte, der Nachbar wäre heimgekommen. Plötzlich stand Max von Gutbrunnen mitten im Zimmer. Sein Blick sprach Bände. Bevor Gustav den Mund aufbrachte, um eine fadenscheinige Erklärung für seine Anwesenheit hervorzubringen, schlug Max zu. Sein linker Schwinger traf Gustav voll am Auge. Er taumelte, hielt sich gerade noch am Schreibtisch fest. Ehe er sich schützen konnte, holte der Reitlehrer ein weiteres Mal mit der Linken aus. Sein zweiter Schlag traf Gustav in den Magen. Und nun ging er zu Boden. Doch jetzt packte auch ihn die Wut, er brachte den Reitlehrer mit einem harten Tritt gegen die Knie fast zu Fall. Zumindest geriet er ins Wanken. Gustav erinnerte sich an die Technik, die man ihm in einem Boxclub in London beigebracht hatte, und versetzte Max einen Faustschlag auf den Solarplexus. Bevor sich sein Gegner davon erholen konnte, ergriff er die Flucht. Er war kein Feigling, aber es war offensichtlich, dass ihm dieser durchtrainierte Kraftprotz überlegen war.
    Am nächsten Morgen um acht Uhr zwanzig traf Gustav in der Polizeidirektion ein und ging gleich hinauf in den zweiten Stock. Der Portier kannte ihn mittlerweile, wusste, dass er ein Freund des Polizei-Oberkommissärs war.
    Rudi rügte ihn zwar wegen des Einbruchs, war jedoch hocherfreut, als ihm Gustav die Liebesbriefe der Freifrau überreichte.
    „‚Viribus Unitis‘, mit vereinten Kräften, so lautet der Wahlspruch unseres Kaisers. Ich versuche halt auf meine Art, euch bei der Suche nach diesem Jack the Ripper von Wien behilflich zu sein“, sagte Gustav.
    Rudi beschwor seinen Freund, kein Wort über die Briefe zu verlieren.
    „Nicht einmal deinem Vater darfst du davon erzählen! Vergiss dieses eine Mal auf deine Eitelkeit und prahl nicht mit deinem Fund, sonst geht uns der Mörder noch durch die Lappen.“
    Gustav war gekränkt, obwohl er einsah, dass Rudi nicht ganz Unrecht hatte. Wie gern hätte er bei dem bevorstehenden Fest im Hause Batheny mit der Korrespondenz, die er in der Wohnung des Reitlehrers gefunden hatte, bei seinen neuen Freunden und Bekannten Eindruck geschunden.

21
    Seit dem Tod der Kaiserin war erst ein guter Monat vergangen. Am Hof herrschte nach wie vor tiefe Trauer, privat wurde bereits wieder gefeiert. Die vergnügungssüchtige Wiener Gesellschaft gierte nach Festen und Gelagen. Auch bei den Bathenys fand ein paar Wochen nach dem Begräbnis ein großes Fest statt. Der Graf hatte den venezianischen Abend zum achtundzwanzigsten Geburtstag seiner jüngeren Tochter von langer Hand geplant und wollte ihn jetzt nicht absagen. Er erlaubte zwar keine Tanzerei, dafür aber hatte er Gaukler und Akrobaten aus Italien engagiert und zum Höhepunkt des Abends eine Sängerin von der Mailänder Scala. Signora Maria Valdura würde Arien aus den neuesten italienischen Opern zum Besten geben.
    Gustav war froh, dass die Geburtstagsfeier seiner Halbschwester als Kostümfest angekündigt worden war. So konnte er sein blaues Auge, das mittlerweile Violett- und Gelbtöne angenommen hatte, unter einer schwarzen Augenklappe verstecken.
    „Als verwegener Pirat machst du gar keine schlechte Figur“,

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