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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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weniger beliebt bei seinem Volk als der Kaiser von Brasilien. Nāser ad-Dīn, Schah von Persien, war ein Despot, ein absolutistischer Herrscher, der fünfundzwanzig Frauen und unzählige Nachkommen hatte. Gustav wunderte es nicht, dass er vor ein paar Jahren von einem persischen Freiheitskämpfer erschossen worden war.
    Gustav war zum ersten Mal in diesem prunkvollen Bad. Er war beeindruckt von der eleganten Innenausstattung im maurisch-orientalischen Stil. Einige Räume weckten Erinnerungen an klassisch römische Thermen in ihm, die er bisher nur aus Büchern kannte.
    Auffallend anmutige Jünglinge schwirrten herum, benahmen sich wie Sklaven und lasen den noblen Herren jeden Wunsch von den Augen ab. Als Gustav einen Burschen bemerkte, der vor einem alten Herrn kniete, seinen Kopf zwischen dessen Beinen, zuckte er erschrocken zusammen. Als er gewahr wurde, dass der Junge dem Manne die Füße wusch, atmete er erleichtert auf. Zwei Bedienstete eilten auf Gustav und Karl Konstantin zu, boten sich an, sie einer Reinigung zu unter­ziehen. Gustav lehnte es ab, die üblichen Waschungen über sich ergehen zu lassen.
    „Hier gibt es Warmwasser, das Bad ist voll elektrifiziert worden im Zuge der letzten Renovierung“, sagte Karl Konstantin, der Gustavs Weigerung falsch interpretierte.
    Der Erzherzog schien ein beliebter Gast im Kaiser­bründl zu sein.
    „Grüß dich, Stanzi!“ – „Wieder mal in der Stadt?“ – „Wie geht’s dir, alter Freund!“ – „Servus Erzherzog!“
    Die Gäste gehören wohl alle dem Hochadel an, sonst würden sie ihn nicht so familiär begrüßen, dachte Gustav, der sich vorkam wie ein Hund, der seinem Herrn hinterhertrottete. Denn Karl Konstantin traf keine Anstalten, ihn seinen Freunden und Bekannten vorzustellen und erwiderte auch nur selten einen Gruß, während er seinem Begleiter die verschiedenen Dampf-, Schwefel- und Moorbäder zeigte.
    Als Karl Konstantin vorschlug, zuerst das Caldarium aufzusuchen, nickte Gustav ergeben. Er hatte keine rechte Vorstellung davon, was ihm bevorstand.
    Die hohe Luftfeuchtigkeit raubte ihm beinahe den Atem. Die Wärmestrahlung, die vom Boden und von den Öfen ausging, empfand er hingegen als durchaus angenehm.
    „Soll gut sein für die Lunge“, sagte Karl Konstantin, ließ das Handtuch, das er um seine Hüften geschlungen hatte, fallen und legte sich, so wie Gott ihn geschaffen hatte, auf eine Bank.
    Gustav zögerte, es ihm gleichzutun.
    „Bist du etwa ein verdammter Puritaner?“
    „Nein, nein …“, stammelte Gustav. Die Schames­röte, die ihm ins Gesicht schoss, als er sich seines Handtuchs entledigte, sagte etwas anderes.
    Von einer Minute auf die andere kam der Erzherzog auf die Kaiserin zu sprechen.
    „Vor Marie Luise wollte ich das nicht erwähnen, du weißt ja, wie sehr sie Ihre Majestät verehrt, ja geradezu angebetet hat, aber ich habe die liebe Sisi ganz anders erlebt.“
    „Hattest du die Ehre, sie näher zu kennen?“, fragte Gustav überrascht.
    „Was heißt näher? Sie ließ keinen an sich heran, außer den Andrássy vielleicht oder den ein oder anderen Reitlehrer. Als ich sie kennengelernt habe, war ihre Schönheit bereits am Verblühen. Sie hat in den letzten zwanzig Jahren ihre fahle Haut und ihre Falten immer hinter einem Schleier versteckt. Wusstest du, dass sie sich ab ihrem einunddreißigsten Lebensjahr nicht mehr fotografieren hat lassen? Ja, sie war eben ungeheuer eitel und egoistisch obendrein. Als allerhöchste Dame der Monarchie war sie ein Vorbild für die jungen Frauen im Lande. Was für ein Vorbild! Ist das die neue Frau des kommenden 20. Jahrhunderts? Nein danke!“
    „Du hast sie also nicht verehrt.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    „Eine Frau, die fast vierzig Jahre lang rast- und ziellos durch die Welt reist und ihre Aufgaben als Gattin und Mutter nicht wahrnimmt – wie kann man so eine Frau verehren? Die Hofburg hat sie als ‚goldenen Käfig‘ bezeichnet. Was hätte ich darum gegeben, in diesem Käfig zu wohnen? Ich war nur der lästige Verwandte, fast schon eine Persona non grata am Hof. Ihren Sohn hat sie übrigens abgöttisch geliebt, einerseits verhätschelt, andererseits schmählich im Stich gelassen. Kein Wunder, dass er Selbstmord begangen hat. Ich kannte Rudolf ganz gut, darf, glaube ich, behaupten, einer seiner wenigen Freunde gewesen zu sein. Er hat jedenfalls sein Leben lang unter der permanenten Abwesenheit seiner Mutter gelitten. Sie hat ihn schwer vernachlässigt, das

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