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Die Tote von Schoenbrunn

Die Tote von Schoenbrunn

Titel: Die Tote von Schoenbrunn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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waren.
    Bevor Karl Konstantin seine Zukünftige um den nächsten Walzer bat, schlug er Gustav vor, nach dem Fest gemeinsam das Kaiserbründl aufzusuchen, um sich von all den Strapazen zu erholen.
    Dorothea und Gustav begaben sich ebenfalls wieder aufs Parkett. Dieses Mal kam keine prickelnde Stimmung zwischen ihnen auf. Dorothea echauffierte sich über das unsensible Verhalten des Erzherzogs.
    „Er ist eine eigentümliche Mischung, einerseits ist er von einer Überheblichkeit und Selbstgefälligkeit, die ich kaum glauben kann, und gleichzeitig außerordentlich höflich und leutselig. Ich werde nicht richtig schlau aus ihm. Du scheinst ja ganz gut mit ihm auszukommen.“
    Gustav erwiderte nichts.
    Nach diesem letzten Walzer kehrten sie zu Marie Luise zurück, die jetzt wieder allein auf dem Kanapee saß. Ansatzlos erzählte sie weiter von der Kaiserin und wie sehr diese den Dichter Heinrich Heine verehrt habe.
    „Er war ihr Idol, ihr großes Vorbild in der Poesie.“
    Dorothea ging darauf ein, da auch sie Heinrich Heine schätzte.
    Gustav, der es satthatte, den stummen Zuhörer zu spielen, brachte die Sprache auf die Stücke des neumodischen Dichters und Arztes Arthur Schnitzler. Dorothea teilte ausnahmsweise seine Meinung, auch sie hielt Schnitzler für ein Genie. Marie Luise hatte noch nie etwas von diesem Autor gelesen, versprach aber, sich demnächst ein Stück von ihm anzusehen.
    „Gilt er nicht als Skandalautor?“, fragte sie und wirkte dabei so neugierig und unschuldig wie ein Kind. „Ein Wüstling, sagt man ...“
    „Du musst nicht alles glauben, was dir deine hochherrschaftlichen Freundinnen erzählen“, antwortete Gustav.
    „Ich muss mir die Nase pudern, kommst du mit?“, wandte sich Marie Luise an ihre neue Freundin.
    Gustavs gute Laune war im Schwinden begriffen, als Dorothea seiner Halbschwester in ihr Boudoir folgte. Er sah sich nach der schönen Fremden, die ihn vorhin gelangweilt hatte, um. Sie schien das Fest bereits verlassen zu haben.
    Marie Luise zeigte Dorothea das neue, soeben fertiggestellte Badezimmer. Während Dorothea die Wanne mit den vergoldeten Wasserhähnen bewunderte, holte Marie Luise ein Fläschchen und eine Spritze aus dem Schrank neben dem Waschbecken und injizierte sich eine Kokainlösung in die Armbeuge.
    „Das einzig wirksame Mittel gegen Melancholie“, sagte sie. „Möchtest du es probieren?“
    Dorothea versuchte ihr Entsetzen zu verbergen.
    „Dieses Zeug ist… ist gefährlich“, stammelte sie.
    „Nein, es ist völlig harmlos. Ihre Majestät höchstpersönlich hat mir diese Medizin empfohlen. Sie hat sich häufig Kokain spritzen lassen gegen ihre Schmerzen, und eines Tages hat sie festgestellt, dass es auch gegen die Melancholie sehr hilfreich ist. Es wirkt phänomenal. Ich fühle mich damit immer großartig und sehr unternehmungslustig.“
    Dorothea, die Marie Luise keineswegs für melancholisch hielt, fürchtete die unberechenbare Wirkung dieses Teufelszeuges.
    Als sie in den Ballsaal zurückkehrten, war Marie Luises Benehmen nicht mehr „comme il faut“. Mit ihrem schrillen Gelächter und ihrem aggressiven Ton vertrieb sie die letzten Gäste.
    Ihr Vater, der nicht ahnte, warum sich seine geliebte Tochter so unmöglich benahm, versuchte sie zu überzeugen, ins Bett zu gehen.
    „Du brauchst Ruhe, mein Kind. All die Aufregung in den letzten Wochen war einfach zu viel für dich.“
    „Lass mich in Frieden, du Schwerenöter! Wie viele Bastarde hast du noch gezeugt?“, kreischte sie. „Wenn sie alle so hübsch sind wie mein neues Brüderchen, hab ich ja gar nichts dagegen …“ Sie kicherte wie eine Irre.
    Der Graf packte sie am Arm und zerrte sie aus dem Ballsaal.
    Gustav, der dem spektakulären Auftritt seiner Halbschwester mit Abscheu gefolgt war, drängte seine Tante und Dorothea zum Aufbruch. Graf Seckenberg bestand darauf, Vera in seinem Wagen heimzubringen. Sie lehnte dankend ab.
    Edi, der schon seit einer Weile mit seinem Fiaker vor der Villa auf die Herrschaften wartete, brachte die Karolys und Dorothea nach Hause.
    Kaum saßen sie in der Kutsche, stellte Vera Speku­lationen darüber an, warum sich Marie Luise am Ende des schönen Abends so unmöglich aufgeführt hatte. Dorothea, die die Antwort kannte, verriet ihre Freundin nicht und stellte stattdessen die Frage in den Raum, warum Männer hysterische Frauen wohl so anziehend fanden.
    „Ich denke, ihr Benehmen wirkt ungeheuer aufreizend und vielversprechend auf das männliche Geschlecht“, sagte

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