Die Tote von Schoenbrunn
meiner Tante angesteckt“, sagte er.
Bevor er die Tür erreicht hatte, begann das Flitscherl, das Rudi für ihn vorgesehen hatte, zu zetern. Als sie auch noch zu heulen anfing und ihm schluchzend von ihrer todkranken Mutter erzählte, warf er ein paar Münzen auf den Waschtisch und stürzte aus dem finsteren Gebäude nach draußen.
Trotz des eisigen Nordostwinds wollte er zu Fuß nach Hause gehen. Ein halbstündiger Spaziergang schien ihm bestens geeignet, seinen Kopf auszulüften. Er ging schnell, atmete die kalte Luft ein und sorgte sich um seine Bronchien. Unter seinen Schuhsohlen knirschte der frische Schnee. Er lauschte dem Wind und seinen eigenen Schritten.
Er war der…
Er war der Teufel in Menschengestalt. Zum ersten Mal war er ihr aufgefallen, als er zum Schloss zurückkehrte, während sich die hohen Herrschaften und ein Großteil der Dienerschaft beim Begräbnis befanden. Er hatte dort nichts verloren. Er wohnte nicht im Schloss, während sie sowohl in den Ställen von Schönbrunn als auch in den Hofstallungen nahe der Hofburg zu Hause war. Die Ställe waren ihre Residenz. Als man die erste Tote fand, wollte sie zur Polizei gehen. Mit der Polizei stand sie jedoch nicht auf bestem Fuß. Deshalb wandte sie sich an den feschen Detektiv, der über den Ställen wohnte. Doch der war ein rechter Tropf, schien nicht zu verstehen, was sie ihm sagen wollte. Sobald sie in Erfahrung gebracht hatte, wo der Satan lebte, ließ sie ihn keine Nacht mehr aus den Augen.
Er musste bemerkt haben, dass sie ihn verfolgte, denn plötzlich kehrte sich die Situation um. Er stellte ihr nach, jagte sie wie einen Hasen. Und es schien ihm Spaß zu machen. Sie versteckte sich in Häusernischen und hinter Abfallbergen. Wenn er sie entdeckt hatte, huschte sie weiter. Fast hatte sie ihr Ziel erreicht. In den k.k. Hofstallungen kannte sie sich besser aus als er. Doch kaum war sie durch das Seitentor beim Volkstheater geschlüpft, hörte sie wieder Schritte hinter sich. Es waren eindeutig seine.
Als sich von hinten zwei Hände um ihren Hals schlossen, ließ sie sich sofort fallen. Der Teufel trug schwarze Handschuhe aus feinem Leder, wollte sich nicht an ihr schmutzig machen. Sie stellte sich tot. Und sie hatte Glück. Als er sich zu ihr hinunterbeugte, raste ein mit zwei Rappen bespannter Wagen durch den Hof. Der Teufel machte sich aus dem Staub. Sie blieb regungslos liegen. Erst als er im Toreingang verschwunden war, raffte sie sich auf und schleppte sich, mehr oder weniger auf allen vieren, zum Haupteingang. Sie vernahm keine Schritte mehr, als sie sich dort in ihrer Nische auf dem Boden niederließ. Während sie noch überlegte, ob sie bis zur Portiersloge kriechen sollte, traf sie der erste Schlag mitten ins Gesicht. Auch den zweiten sah sie nicht kommen. Ihr Kopf knallte gegen die Mauer. Gleichzeitig traf sie ein Fußtritt in der Magengegend. Sie bekam keine Luft. Den dritten Schlag spürte sie nicht mehr.
31
Edi brachte Dorothea auch am nächsten Morgen in die Villa Batheny. Gustav ließ es sich, nachdem er sich den ganzen Tag daheim gelangweilt hatte, nicht nehmen, Dorothea abends persönlich abzuholen.
Dorothea schien sich zu freuen, als sie ihn an der Haustür erblickte.
Als sie sich auf den paar Metern zwischen Villa und Straße bei ihm einhängte und ihre Brust seinen Oberarm berührte, beschleunigte sich sein Puls rapide. Wie gern hätte er ihr mitgeteilt, wie sehr er es mochte, wenn sie ihn berührte.
Sei kein Narr, wies er sich selbst zurecht.
Als sie in Edis Fiaker saßen, wickelte sich Dorothea in eine Decke. Gustav verzichtete auf seine und legte sie über Dorotheas Knie. Dann ließ er den Kopf in die schwarzen ledernen Sitzpolster zurücksinken und schloss die Augen.
Die Stadt versank in graubraunem Schneematsch. Die Kerze in der kleinen Laterne, die das Innere der Kutsche beleuchtete, warf zitternde Schatten auf sein müdes Gesicht. Der Fiaker schaukelte im heftigen Wind. Im Wagen zog es wie in einem Vogelhaus.
Gustav war froh, dass er den Wintermantel seines Großvaters bei seinem Schneider in der Webgasse ändern hatte lassen. Der lange schwarze Mantel mit dem braunen Zobelfell als Kragen stand ihm gut und wärmte ihn.
Dorothea trug eine Fuchsstola mit ausgestopftem Tierkopf, Klauen und Schwanz um Hals und Schultern. Das raffiniert geschnittene hochgeschlossene blaugraue Kleid, das unter Stola und Decke hervorblitzte, brachte ihre rote Haarpracht bestens zur Geltung. Ein leicht rosa Schimmer überzog ihre
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