Die Tote von Schoenbrunn
um seine Hexe handelte.
Dorothea blieb natürlich nicht im Wagen. Neben der Alten am Boden kniend, legte sie ihre Hand auf deren Hals, auf die Handgelenke, nahm aber nicht das geringste Pulsieren wahr.
„Sie ist tot“, meinte sie erschüttert.
„Erfroren“, sagte Gustav und glaubte es selbst nicht.
„Keinesfalls. Sie hat schwere Verletzungen am Kopf. Reich mir mal die Kerze, ich kann nichts sehen. An der Mauer sind dunkle Flecken. Ich glaube, es ist Blut.“
„Soll ich die Sicherheitswache holen?“, fragte der Portier beflissen.
„Nein, Sie bleiben hier und rühren sich nicht von der Stelle!“, herrschte Gustav den vor Angst schlotternden Mann an.
Gustav nahm die Kerze aus der Halterung im Inneren der Kutsche und beleuchtete mit der Flamme das Gesicht der Toten.
„Sind das nicht Würgemale auf ihrem Hals?“
„Ja. Halt! Leucht mal auf ihre Stirn. Siehst du das getrocknete Blut auf ihrem Haar?“ Dorothea fuhr der alten Frau über den Kopf. „Jemand hat sie gewürgt und dann erschlagen, totgeschlagen wie eine Ratte.“
Gustav bemerkte im Schein der Flamme, dass Dorotheas Augen feucht waren. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich.
„Wir können nichts mehr für sie tun“, sagte er leise.
Dorothea stieß ihn weg.
„Du verständigst jetzt deinen Freund Rudi und ihr knöpft euch gemeinsam diese Kerle hier vor. Zumindest der Portier muss mitangesehen haben, was buchstäblich vor seinen Augen passiert ist.“
Gustav tat, wie ihm geheißen, und schickte Edi sogleich zu Rudi.
„Falls der Polizei-Oberkommissär nicht mehr in der Polizeidirektion sein sollte, fahr ins Wirtshaus seines Vaters. Und wenn er dort nicht ist, suchst du ihn so lange, bis du ihn findest, durchkämm alle Lokale am Spittelberg.“
Edi schien froh, diesen Ort des Unheils verlassen zu dürfen. Er trieb seine Rösser an, raste in höllischem Tempo die Lastenstraße entlang.
Die beiden Stallburschen machten sich ebenfalls aus dem Staub. Gustav wollte ihnen nach und sie zwingen, mit ihm auf die Polizei zu warten, als ihm gerade rechtzeitig einfiel, dass er die beiden ja vom Sehen kannte, da sie schon länger in den Hofstallungen arbeiteten. Falls Rudi sie verhören wollte, würden sie die Kerle schon ausfindig machen.
Dorothea weigerte sich zuerst, Gustav mit dem Pförtner und der Leiche allein zu lassen. Erst als Gustav ihr hoch und heilig versprach, Rudi nachher mitheimzubringen, ging sie nach Hause. Es war bitterkalt geworden. Gustav fror trotz des warmen Wintermantels.
„Wir warten hier drinnen“, sagte er und ging voran in die Portiersloge.
Als Edi etwa eine halbe Stunde später mit dem Polizei-Oberkommissär zurückkehrte, hatte Gustav den Portier schon auf Herz und Nieren geprüft und die ganze Lebensgeschichte des Mannes in Erfahrung gebracht. Als Mörder der Alten schied er in seinen Augen jedenfalls aus.
Er überließ es seinem Freund, den Mann noch einmal ins Gebet zu nehmen.
„Die Alte hat oft hier in der Gegend geschlafen. Sie hat ja niemandem was getan. Aber das habe ich schon alles Seiner Hochwohlgeboren erzählt.“ Der Portier deutete auf Gustav.
„Und jetzt berichte mir noch mal alles von Anfang an.“ Rudis scharfer Ton ließ keinen Widerspruch zu.
„Mir ist heute nichts Besonderes aufgefallen. Hab gar nicht gesehen, wann sie gekommen ist. Sie ist halt einfach wie so oft in der Mauernische drinnen in der Einfahrt gelegen. Dass sie verletzt war, hab ich nicht bemerkt. Erst als mich die beiden Stallburschen gerufen haben, bin ich hin zu ihr …“
„Hier muss ein brutaler Kampf stattgefunden haben. Die Alte ist ihren Verletzungen nach zu schließen nicht nach dem ersten Schlag gestorben, sondern wurde zusammengeschlagen, da musst du doch irgendetwas gehört haben. Zumindest Schreie.“
„Verzeihen Sie, ich bin vielleicht ein bisserl eingenickt. Ich mache schon seit sechs Uhr früh hier Dienst. Manchmal fallen mir halt die Augen zu. Bitte sagen Sie das nicht dem Burghauptmann, ich habe sieben Kinder ... Ich brauche diese Arbeit.“
„Wer hat dich bestochen, damit du schweigst?“, schrie Rudi ihn an. „Gesteh oder ich lasse dich aufs Kommissariat bringen.“
„Bitte nicht, gnädiger Herr. Ich hab nichts Böses getan. Mein einziger Fehler ist, dass ich zu gutmütig bin. Ich hab der Alten, seit es so kalt ist, halt erlaubt, hier in der Einfahrt zu schlafen. Sie werden mich doch jetzt nicht wegen meines guten Herzens verhaften. Ich appelliere an Ihre Großzügigkeit,
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