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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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die Liebesabenteuer in den großen Häfen, in denen sich exotische Laster und Weiber aller Rassen zusammenfinden. Valls, der in seiner Jugend die Segelschiffe seines Vaters befehligte, hatte Frauen aller Klassen und aller Farben kennengelernt, in Orgien, die mit Strömen von Whisky und Messerstichen endigten.
    »Pablo, erzähle uns deine Abenteuer in Jaffa, als die Araber dich niederstechen wollten.«
    Und Febrer schüttelte sich beim Zuhören vor Lachen, während der Kapitän im stillen dachte, daß Jaime eigentlich ein guter Junge sei, der ein besseres Schicksal verdient hätte. Schade, daß er ein Butifarra war und sich von den Vorurteilen seiner Familie nicht freimachen konnte.
    Als Valls auf dem Wege nach Valldemosa in den Wagen von Febrer einstieg, gab er seinem Kutscher Befehl, nach Palma zurückzukehren.
    »Hast du mich wirklich nicht erwartet?« wiederholte der Kapitän. »Aber ich bin von allem unterrichtet, und da es ein Familienfest ist, darf ich nicht fehlen.«
    Jaime tat, als verstände er diese Anspielung nicht. Der Wagen fuhr in Valldemosa ein und hielt vor einem in modernem Stil erbauten Landhause. Sobald die beiden Freunde das Gartentor öffneten, kam ihnen ein alter, gebrechlicher Herr mit weißem Backenbart entgegen. Es war Don Benito Valls. Er begrüßte Febrer mit matter Stimme, seine Worte manchmal unterbrechend, um Luft zu schöpfen. Demütig dankteer immer von neuem für die hohe Ehre, die Febrer seinem Hause erwies.
    »Und ich?« fragte der Kapitän mit boshaftem Lächeln, »bedeute ich gar nichts? Freust du dich nicht, mich zu sehen?«
    Don Benito sagte ihm einige freundliche Worte, aber seine Augen verrieten Unruhe. Sein Bruder flößte ihm eine gewisse Furcht ein wegen seiner bösen Zunge. Je weniger man von ihm sah, desto besser.
    Mittlerweile hatten sie das Haus betreten. Jaime, der zum ersten Male hier war, sah sich um. Die Möbel waren modern, aber ziemlich geschmacklos. An den Wänden hingen Kupferstiche und einige schlechte Ölbilder, Landschaften von Valldemosa und Miramar.
    Catalina Valls kam die Treppe vom oberen Stockwerk herab. Man bemerkte auf ihrem Kleide noch einige Stäubchen von Reispuder, die verrieten, mit welcher Eile sie ihre Toilette beendigt hatte, als sie den Wagen hörte.
    Jaime konnte sie zum ersten Male mit Muße betrachten. Sein Urteil erwies sich als richtig. Catalina war groß, hatte einen matten, dunklen Teint, tiefschwarze Augen und auf der Oberlippe einen leichten Flaum. Schlank gewachsen, ließ ihre Figur doch schon eine spätere Fülle ahnen, wie sie sich bei allen Frauen ihrer Rasse nach der ersten Jugend einstellt. Ihr Charakter schien sanft und unterwürfig zu sein. Sicher würde er an ihr einen guten Lebensgefährten haben, unfähig, in dem gemeinsamen Leben störend zu wirken.
    Sie schlug die Augen nieder und errötete, als sie Jaime entgegentrat. Ihre Haltung und ihre verstohlenen Blicke bekundeten den großen Respekt vor einemManne, von dem sie durch eine ungeheure, gesellschaftliche Kluft getrennt war.
    Don Benito führte seine Gäste zum Speisezimmer. Das Frühstück wartete schon eine ganze Weile, denn in diesem Hause hielt man am alten Brauche fest und setzte sich Punkt zwölf Uhr zu Tisch. Febrer, der neben dem Hausherrn saß, verursachte das keuchende Atemholen des Asthmatikers ein unbehagliches Gefühl. In dem Stillschweigen, das zuerst am Tische herrschte, hörte man deutlich das schwere Arbeiten seiner kranken Lungen. Bei einem besonders starken Anfall verdrehte er die Augen und seine Brust röchelte, daß man befürchten konnte, er würde ersticken. Febrer sah ihn beunruhigt an. Die Tochter aber und der Kapitän, die an diesen Anblick schon gewöhnt waren, achteten nicht weiter darauf.
    »Das Asthma, Don Jaime, macht mir sehr viel zu schaffen. In Valldemosa fühle ich mich etwas wohler, in Palma würde ich sterben.«
    Febrer dachte an die Qual, diesen Kranken in seiner Nähe ertragen zu müssen. Glücklicherweise würde Don Benito nicht mehr lange leben. In einigen Monaten war diese Plage vorbei. Jaimes Entschluß, in die Familie einzutreten, wurde nicht erschüttert.
    Der Kranke kam jetzt auf Febrers Familie zu sprechen:
    »Ich hatte die Ehre, mit Ihrem Herrn Großvater, Don Horacio, sehr befreundet zu sein.«
    Jaime sah ihn erstaunt an. Welche Lüge! Seinen Großvater hatte zwar jeder Mensch auf Mallorca gekannt. Es war auch seine Art gewesen, sich mit jedem zu unterhalten, jedoch mit einer Reserve, die Respekt einflößte, ohne zu

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