Die Toten befehlen
tun?«
Er erwartete, bei seiner Tante eine Bewegung der Überraschung und der Neugierde zu sehen. Im stillen hoffte er auch, daß diese Mitteilung sie veranlassen würde, ihm doch noch zu helfen, um eine Heirat zu verhindern, die in ihren Augen einen Schimpf für den Namen Febrer bedeutete. Aber wie erstaunt war er, als Doña Juana ihm mit einem kalten Lächeln auf den Lippen sagte:
»Ich weiß es schon. Heute morgen nach der Messe in Santa Eulalia hat man mir alles erzählt. Du heiratest ... Du heiratest ... eine Chueta.«
Es kostete sie eine gewaltige Anstrengung, dieses Wort über die Lippen zu bringen. Sie zitterte, als sie es aussprach.
Ein großes Schweigen herrschte im Salon.
»Wie denkst du darüber?« wagte Jaime nach langer Zeit zaghaft zu fragen.
»Tu, was du willst«, sagte Doña Juana eisig. »Viele Jahre haben wir uns nicht gesehen, und ebenso könnenwir es für den Rest unseres Lebens halten. Heute scheiden sich unsere Wege ganz. Wir denken verschieden. Unmöglich, daß wir uns verstehen.«
»Also soll ich heiraten?« beharrte Jaime.
»Das frage dein Gewissen. Seit langer Zeit wandeln die Febrer auf sonderbaren Wegen, so daß mich nichts mehr überraschen kann.«
Jaime bemerkte in den Augen und in der Stimme seiner Tante eine unterdrückte Freude, die Freude der befriedigten Rache: nun ging der Name Febrer in Schande unter!
Er war empört.
»Und wenn ich heirate«, sagte er kühl, den Tonfall seiner Tante nachahmend, »darf ich auf dich zählen? Wirst du der Feier beiwohnen?«
Diese Frage brachte die Päpstin endlich aus ihrer starren Ruhe. Hoheitsvoll richtete sie sich auf und sprach mit der Miene einer beleidigten Königin:
»Caballero, mein Vater war ein Genovart, meine Mutter eine Febrer. Aber beide waren einander ebenbürtig. Von heute an verleugne ich das Blut der Febrer, das sich vermischen will mit dem Blut gemeiner Menschen, der Mörder Christi.«
Mit einer stolzen Gebärde wies sie zur Tür und gab Jahne damit zu verstehen, daß die Unterredung beendet war. Dann aber schien ihr das Theatralische ihres heftigen Protestes klar zu werden. Sie schlug die Augen nieder und sagte mit der Miene christlicher Ergebung:
»Adieu, Jaime, möge dich der Herr erleuchten!«
»Adieu, Tante.«
Mechanisch reichte er ihr die Hand hin. Aber sie verbarg die ihrige auf dem Rücken.
Febrer lächelte unmerklich, denn er erinnerte sich, was man sich von Doña Juana erzählte. Es war kein Zeichen der Verachtung, wenn sie ihm ihre Hand verweigerte. Die Päpstin hatte vor Jahren das Gelübde abgelegt, niemals andere als die Hände eines Priesters zu berühren.
Jaime verließ das Haus. Auf der Straße brach er in leise Verwünschungen aus.
»Diese Natter! Wie sie sich über mein Vorhaben freute! Und nachher wird sie die größte Entrüstung zeigen, vielleicht sogar krank werden, damit die ganze Insel sie bemitleidet. Wie glücklich sie war, endlich ihren alten Rachedurst gestillt zu sehen.«
Jaime ballte die Faust bei dem Gedanken, daß er gezwungen sein würde, der scheinheiligen Alten diese Genugtuung zu verschaffen. Aber in seiner verzweifelten Lage blieb ihm nichts anderes übrig, als gerade das zu tun, was sie als größte Schande betrachtete. Verfluchtes Elend!
Bis zum Mittag irrte er ziellos in den Straßen umher. Erst das Gefühl des leeren Magens ließ ihn seine Schritte instinktiv nach Hause richten.
Schweigsam nahm er seine Mahlzeit ein, ohne zu sehen, was ihm vorgesetzt wurde. Madó bediente ihn. Unruhig und aufgeregt kreiste sie um ihn herum, bemüht, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, um Neuigkeiten zu erfahren.
Nach beendeter Mahlzeit setzte sich Jaime auf die Terrasse, die in den Garten führte, nahe an die mit römischen Büsten geschmückte steinerne Balustrade. Das Laub der Magnolien und Orangenbäume bildete ein grünes Dach, überragt von den Stämmen und Wipfeln der schlanken Palmen. Hinter derGartenmauer erstreckte sich das leuchtende Meer, belebt durch weiße Segel. Zu seiner Rechten sah er den Hafen mit einem Gewirr von Masten und Schornsteinen, und weiter die dunkle Masse der bewaldeten Höhen von Bellver, gekrönt von der alten Bastei, deren Turm sich trotzig emporreckte. In der Ferne, auf der äußersten Spitze des Kaps erschien der alte Puerto Pi mit dem Signalturm und den Batterien von San Carlos.
Auf der anderen Seite der Bucht schweifte der Blick bis an ein felsiges Kap, düster und unbewohnt, das sich im Dunst des Horizontes verlor.
Die runden Bogen der
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