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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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erwischt, aber wenn es passiert, werde ich lügen. Ich werde behaupten, ich hätte keine Ahnung, wohin die Papiere und Schlüssel verschwunden sind. Ich werde behaupten, dass im Krankenhaus viel verloren geht. Ich werde erklären, dass die Menschen in so schweren Zeiten traurigerweise zu stehlen beginnen.
    Issa umarmt mich oft und versichert mir, dass ich dadurch zu einer Heldin geworden bin – einer richtigen Partisanin. Aber ich fühle mich nicht so. Ich fühle mich wie eine Lügnerin und Grabräuberin. Ich fühle mich wie eine Krähe, die an den Toten herumpickt.

14. Kapitel
    Nach dem Gespräch mit Eleanor Sachs hatte Pallioti das Café mit einem zwiespältigen Gefühl verlassen. Er glaubte eigentlich nicht, dass sie die beiden Männer umgebracht hatte. Trotzdem sagte ihm sein Instinkt, und zwar eindringlich, dass sie gelogen hatte.
    Er konnte Enzo anrufen und ihre Vergangenheit durchleuchten lassen, sie dann vorladen und ihr allgemein das Leben zur Hölle machen. Er konnte auch gar nichts unternehmen und abwarten, was sie als Nächstes tun würde. Oder er entschied sich für einen Zwischenweg – indem er sie überprüfen ließ und dann erst einmal abwartete.
    Er merkte, dass er am ehesten zu dieser Möglichkeit neigte, auch weil ihm dieses Spiel insgeheim gefiel. Lügner interessierten ihn, vor allem, wenn sie solche Mühen auf sich nahmen wie Eleanor Sachs. Er hatte keine Ahnung, was sie eigentlich beabsichtigte, aber das würde er irgendwann herausfinden – und sei es nur, weil sie es ihm erzählen würde. Irgendwann begannen alle Lügner zu reden. Man brauchte nur Geduld. Denn im Grunde ihres Herzens waren sie alle Aufschneider.
    Über dieses Paradox – dass der Reiz jeder Gaunerei zum guten Teil darin liegt, damit anzugeben, wodurch man gleichzeitig alles in Gefahr bringt – sann er nach, während er den Weg zu Saffys Galerie einschlug und sich dabei durch die nächtlichen Straßen der Stadt bewegte wie Jonas durch den Bauch des Wals.
    Noch als er angekommen war und ein Glas Sekt in die Hand gedrückt bekommen hatte, überlegte er, wie sie die Verbindung zwischen Roberto Roblino und Giovanni Trantemento überprüfen könnten. Welches Spiel Dr. Eleanor Sachs auch treiben mochte, es war wahrscheinlich irrelevant. Im Gegensatz zu der Verbindung der beiden alten Männer, wenn es denn eine gegeben hatte. Während er an seinem Glas nippte, hatte er sich schon fast in die trübselige Erkenntnis geschickt, dass er oder wahrscheinlicher Guillermo viel Zeit am Telefon und/oder in einer Bibliothek und am Computer verbringen müsste, um festzustellen, ob sich auch nur eine der Behauptungen der guten Dr. Sachs belegen ließ, als sich ihm gänzlich unerwartet eine mögliche Lösung bot, und zwar in der Gestalt von Maria Grandolo.
    »Alessandro!«
    Obwohl es November war, trug Maria nur ein dünnes Fähnchen von einem Kleid. Sie hatte vielleicht ein Spatzenhirn, aber das steckte definitiv im Körper einer, nun ja, Göttin. Ihre absolut makellosen Beine schienen kein Ende zu nehmen. Ihr Bauch war flach. Ihr Haar glänzte, und ihr Gesicht bildete ein perfektes Oval. Am faszinierendsten jedoch fand Pallioti an ihr – tatsächlich war es das Einzige, was er faszinierend an ihr fand –, dass sie zwar jeden Mann für etwa drei Minuten bezaubern konnte, aber auch nicht länger. In der vierten Minute wich der Wunsch, mit ihr zu schlafen, unweigerlich einem panischen Fluchtreflex.
    Maria hielt ihn an den Schultern fest – sie war kräftiger, als sie aussah – und küsste ihn überschwänglich auf beide Wangen.
    »Alessandro!«, rief sie wieder aus und stellte damit unter Beweis, dass sie wahrhaftig wusste, wie er hieß.
    »Hallo, Maria, du siehst gut aus.«
    »Wir waren im Urlaub! Ein letztes Mal vor dem grässlichen Winter. Es war wunderbar! Wir haben das ganze Hotel übernommen. Du hättest dabei sein sollen! Wir hatten so viel Spaß. Im Spa. Ich wollte Seraphina überreden, aber du weißt selbst, wie sie ist. Immer nur arbeiten! Arbeiten! Arbeiten! Genau wie du, Alessandro.« Sie verstummte und holte Luft. »Aber wenigstens bist du heute Abend gekommen«, meinte sie dann. »Seraphina hat mir gar nichts davon erzählt. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich eingeladen. Wir gehen danach noch essen.« Maria nannte eines der schicksten Restaurants in der Stadt. »Ich kann ja anfragen, ob sie noch eine Person hinzufügen können!«
    Ohne Palliotis Proteste zu beachten, hatte sie ihr Handy gezückt. Dann war ihm

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