Die Toten der Villa Triste
Partisanen je auf zwei Schwestern gestoßen sind?«
»Zwei Schwestern?«
»Sie hießen Cammaccio. Caterina und Isabella. Ich glaube, Isabellas Codename lautete Lilia. Sie waren hier in Florenz aktiv.«
»Cammaccio?« Eleanor Sachs überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Der Name sagt mir nichts«, sagte sie. »Nein. Tut mir leid. Aber ich kann das nachschlagen, ich bin ständig im Archiv. Wenn Sie möchten?«
Pallioti wedelte abwehrend. »Danke, aber das ist nicht nötig«, sagte er und lächelte wieder. »Wirklich, so wichtig ist das nicht.«
»Wer war das?« Saffy beugte sich über den Tisch und senkte die Stimme, bis die Worte als verschwörerisches Raunen zu ihm herüberwehten.
»Wer war wer?« Pallioti lächelte.
Seine Schwester grinste, nahm einen Grissino und brach ihn in zwei Hälften.
»Niemand«, sagte er. »Eine Amerikanerin.«
»Eine sehr hübsche Amerikanerin.« Sie reichte Tommaso die halbe Brotstange. »Sehr knabenhaft. Sehr Audrey Hepburn.«
»Sehr verheiratet«, erwiderte Pallioti und fragte sich, warum er sich die Mühe machte. Von Leos Tischende schwappte Gelächter zu ihnen herüber. Pallioti lächelte seine Schwester an. »Sie wollte mich sprechen«, erklärte er, »weil sie etwas über Giovanni Trantemento zu wissen glaubte. Es war rein geschäftlich.«
»Ach so.« Saffy strich Tommaso über den Kopf. »Und wusste sie etwas? Über Giovanni Trantemento?«
Pallioti schüttelte den Kopf. Frauen, sogar seine Schwester, waren verbissen wie Pitbulls, wenn sie sich erst etwas in den Kopf gesetzt hatten. Er griff nach seinem Glas. »Nein«, sagte er. Dann schränkte er ein: »Also, das stimmt nicht ganz. Nein und ja. Ich habe ihr nicht geglaubt. Es war nicht besonders angenehm. Genauer gesagt ziemlich unangenehm. Darum habe ich mich gerade bei ihr entschuldigt. Wie gesagt«, er breitete die Hände aus, »es war nichts weiter. Nichts Wichtiges.«
Saffy nickte. Sie musste sich ein Lachen verkneifen. »Und«, fragte sie, »warum ist sie dann gegangen, kaum dass du mit ihr gesprochen hast?«
»Sie ist gegangen?«
Pallioti drehte sich um. Eine Familie erhob sich eben. Mehrere Ober eilten vorbei. Das fröhliche Geplauder steigerte sich zum Crescendo und fiel wieder ab, als das Paar mit seinen Kindern zur Garderobe ging. Er blickte über die leer gegessenen Teller und liegen gelassenen Servietten hinweg auf den kleinen Tisch in der Ecke. Er war leer. Die halb volle Weinflasche und zwei Gläser standen verlassen neben einem unberührten Teller.
Das Absperrband, das den Treppenabsatz vor Trantementos Wohnung geschmückt hatte, war abgenommen worden. Verschwunden war auch das Blut, das unter der Tür hervorgesickert und über den Boden mäandert war wie ein kleiner, verlorener Bach, in dem das Leben des alten Mannes zerflossen war. Weggeschrubbt. In Lanzetten fiel das bleiche Licht der Nachmittagssonne durch die hohen Fenster und tanzte auf den breiten gebohnerten Bohlen. Pallioti konnte Zitronenöl und Bienenwachs riechen, die in der stillen, kühlen Luft schwebten.
Marta Buonifaccio stand vor ihrer Wohnungstür. Sie hatte ihn gehört, als er hereinkam – sie hatte sogar den Öffner gedrückt, nachdem er bei ihr geläutet hatte –, und dann eher gespürt als gesehen, wie er die Stufen hochgestiegen war. Auch wenn sie die Tür einen Spalt weit geöffnet hatte, war sie nicht herausgekommen, bis er im zweiten oder gar dritten Stock und damit garantiert außer Sichtweite gewesen war. Sie brauchte ihn nicht zu kontrollieren. Sie wusste, wohin er ging und warum er dorthin wollte. Er war auf einem Pilgergang oder aber auf einer einsamen Entdeckungsreise. Und weil er allein bleiben wollte, war er am Sonntagnachmittag gekommen, wenn die übrigen Bewohner des Hauses mit der Familie beim Essen oder vor dem Fernseher saßen oder ein Mittagsschläfchen hielten. Weil er vor Giovanni Trantementos Tür stehen wollte. Den Namen des alten Mannes flüstern wollte. Weil er die Hand in die stille, kalte Luft strecken und erspüren wollte, was wirklich vorgefallen war.
»Dottore.«
Er trug eine Wildlederjacke über einem Pullover und einer Cordhose. Keine Krawatte mit Florentiner Lilien. Keine goldenen Manschettenknöpfe. Nicht dass dies etwas geändert hätte. Ein Leopard legt seine Flecken nicht ab.
» Buona sera , SignoraBuonifaccio.«
Sie hatte ihn angesprochen, sobald sein Fuß die letzte Stufe genommen hatte. Jetzt verbeugte er sich knapp. »Bitte verzeihen Sie die späte Störung.«
Auch das
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