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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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lehnte sich in ihrem Sitz zurück.
    Lämmchen, der, wie sich herausgestellt hatte, eigentlich Achilleo Venta hieß, wohnte mit seiner Tochter Agata auf einem Bauernhof, der wahrscheinlich seit Generationen der Familie gehörte. Die Straße hatte sich endlich aus den Hügeln herausgeschlängelt und führte nun in ein breites Tal hinab. Die Masseria Poggio Alta, deren Name sich ebenso abwegig und hochgestochen anhörte wie der ihres Besitzers, lag am Ende eines unvollendeten Schotterwegs und diente, wenn man dem schiefen Schild an der Straße glauben durfte, nicht nur als Fattoria zur Herstellung hausgemachter »Produkte aus Schweinefleisch«, sondern auch als Pension.
    Pallioti hielt vor einem Zaun und einem Wassertrog an und stellte den Motor ab. Er öffnete die Tür. Auf dem Bauernhof war kein Mucks zu hören. Die gleiche Stille, die auch Florenz infiziert hatte, hing über dem Tal, drückte auf die Ziegeldächer und dämpfte das leise Murmeln des kleinen Bachs, der am Bauernhof entlanglief. Dann schloss Pallioti die Tür, und die Stille explodierte in lautem, schrillem Gequieke. Der Lärm drang aus dem Stall direkt neben ihnen und endete in hektischem Geraschel, das so klang, als würde eine Rattenherde die Flucht ergreifen.
    »Was zum …« Eleanor Sachs blieb erschrocken neben der Beifahrertür stehen.
    Pallioti suchte sich einen Weg zum nächsten Stall und blickte über das Tor. Im Schatten ganz hinten sah er mehrere Dutzend Ferkel, die sich auf einem Strohbett aneinanderdrängten. Blinzelnd starrten sie ihn an.
    Ein verblichenes Agritourismo -Schild wies ihnen den Weg über den Hof zu einem Wohnhaus am anderen Ende. Im Erdgeschoss, das früher mit Sicherheit als Stall gedient hatte, war inzwischen eine Garage untergebracht. Das verbeulte Heck eines weißen Autos ragte aus dem Tor. Direkt daneben stand ein kleiner Traktor. Pallioti konnte auch den Umriss eines Motorrads ausmachen, das an der Wand lehnte. Angesichts der Vielzahl der hier geparkten Fahrzeuge war wahrscheinlich jemand zu Hause. Eine steile Steintreppe führte zur Veranda hinauf. Er hatte sich noch nicht entschieden, ob er die große Metallglocke anschlagen sollte, die an der Wand hing, oder ob er einfach nach oben gehen und an die Tür hämmern sollte, als laut eine Stimme ertönte: »Chiuso!«
    Pallioti sah sich um. Er konnte nicht erkennen, woher sie gekommen war.
    »Chiuso!« , war die körperlose Stimme erneut zu vernehmen. »Geschlossen! Wir haben Winterpause. Es ist nur im Sommer geöffnet!«
    Eleanor zupfte an seinem Ärmel. »Da oben«, zischte sie.
    Pallioti sah auf und konnte ein winziges, faltiges Gesicht über das Geländer spähen sehen. Pallioti stieg die Treppe hinauf, dicht gefolgt von Eleanor. Vermutlich befürchtete sie, sie könnte verloren gehen und vom Schweineschlamm oder den Schweinen selbst verschluckt werden, wenn sie zu weit zurückfiel.
    »Signor Venta?«
    Entgegen dem ersten Eindruck, erkannte Pallioti, als er auf die Veranda sehen konnte, war der Alte nicht noch weiter geschrumpft. Er saß nur inzwischen im Rollstuhl. Eine Decke lag über seinen Knien. Und ein Stock lehnte neben der Haustür an der Wand.
    »Es ist geschlossen, habe ich gesagt!«
    Der Alte hantierte an der Bremse seines Rollstuhls herum.
    »Geschlossen!«, wiederholte er, als Pallioti oben angekommen war. »Sind Sie taub?«
    »Nein, Polizist.«
    Pallioti beugte sich vor und löste die Bremse. Der Alte sah zu ihm auf. Pallioti fühlte sich, als würde ihn eine Schildkröte anstarren. Milchige Augen stachen zwischen walnussfaltiger Haut hervor.
    »Was?«
    »Ich bin Polizist.«
    Achilleo Venta griff in die Räder seines Rollstuhls und wendete ihn entschlossen in Richtung Haustür. Seine Armmuskeln waren jedenfalls noch gut in Form.
    »Sie ist nicht da«, sagte er. Pallioti nahm an, dass er damit seine Tochter meinte. »Keine Ahnung, wo sie steckt. Sie führt die Bücher. Sie müssen schon mit ihr reden.«
    »Ich interessiere mich nicht für Ihre Bücher«, sagte Pallioti nachsichtig. »Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten.«
    »Mit mir?«
    Der Alte griff nach der Türklinke. An seinen Ärmeln baumelten, wie oft bei Palliotis Neffen Tommaso, mit Sicherheitsnadeln befestigte Fäustlinge. Die nackten Finger verharrten wie Vogelklauen in der Luft.
    »Was soll ich denn getan haben?«, jammerte er. »Ich habe bestimmt nichts getan.«
    Er wendete den Rollstuhl erneut, kniff die Augen zusammen und sah zu Pallioti auf.
    »Sie sehen gar nicht aus wie ein

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