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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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Verletzung litt. Aber offenbar hatte er trotzdem den Krieg überlebt. Denn vor achtzehn Monaten war er noch am Leben und bei bester Gesundheit gewesen.
    »Wenn Massimo noch unter uns weilt«, sagte Pallioti, »dann wird uns dieses Lämmchen verraten, wo wir ihn finden können. Falls er selbst noch lebt …«
    »Oh, das tut er«, sagte Eleanor Sachs. »Glauben Sie mir. Jedenfalls lebte er noch letzte Woche.«
    Pallioti sah sie an.
    »Ich habe Roberto Roblino so lange in den Schwitzkasten genommen, bis er mir seinen Namen und seine Adresse verriet«, erklärte sie. »Weil er hoffte, dass ich ihn dann in Ruhe lassen würde, nehme ich an.«
    »Und?« Er versuchte, nicht ungeduldig zu klingen. Plötzlich wollte er unbedingt mit Lämmchen sprechen. Ihn nach Massimo fragen. Wie sie ihn finden konnten.
    »Und«, erklärte sie, »tatsächlich lebt der alte Pecorello in der Nähe von Siena. Sozusagen gleich nebenan. Ich dachte, dass mir das Lamm vielleicht verraten könnte, wer der vierte Mann war, falls ich diese Information nicht von Trantemento bekäme. Ich habe es ein paarmal probiert. Zuletzt vor wenigen Tagen. Ich Dummchen dachte doch tatsächlich, dass ihn der Tod seiner alten Freunde erweichen würde.«
    »Das hat er nicht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ganz im Gegenteil. Er war ziemlich eklig. Er schrie mich an und legte dann auf. Als ich wieder anrief, schrie seine Tochter mich an. Behauptete, er sei krank – und er würde ›keine Interviews geben‹.«
    Pallioti lächelte. »Mal sehen. Ich glaube, mir wird er sehr wohl eines geben.«

29. Kapitel
    La Masseria Poggio Alta lag, anders, als der Name vermuten ließ, in einem Tal knapp dreißig Kilometer östlich von Massa Marittima. Mit anderen Worten, dachte Pallioti, mitten im Nichts.
    Sie waren nach Macereto gefahren, wo sie von der Autobahn abbogen und in etwas eintauchten, das man mit viel gutem Willen als Wildnis bezeichnen konnte. Nach nur einem Kilometer wurde die Straße schlagartig schmaler und begann, sich einen kleinen Berg hinaufzuwinden, der mit Birken, dürren Eichen und dornigem Dickicht bewachsen war. Hier oben waren die Graupeln vom Abend zuvor als Schnee gefallen. Weiße Wehen lagen in den Senken. Unter ihnen polterte die schlammige Merse durch eine steile Schlucht und wirbelte an totem Geäst und großen Felsbrocken vorbei. Über den laublosen Armen der Bäume hing ein grauer, schwerer Himmel. Erst nach zwanzig Minuten begegnete ihnen ein anderes Auto. Ein uralter Fiat quietschte um die Ecke und kam genau auf sie zu, als wollte er sie von der Straße drängen, bevor er im letzten Moment auf die eigene Straßenseite auswich und mit einem langen, klagenden Hupen verschwand.
    »Jesus.« Eleanor Sachs schloss kurz die Augen und presste die Hände auf den offenen Straßenatlas in ihrem Schoß. »Kein Wunder, dass so viele Bauernhöfe aufgegeben werden. Wahrscheinlich sind die Bauern alle auf der Straße gestorben.«
    Pallioti warf ihr einen Seitenblick zu. Während er den Aufenthaltsort des Lämmchens bestimmt hatte, war sie im Schlafzimmer verschwunden und hatte dort ihre Leggings und das Sweatshirt gegen eine Jeans mit Denimjacke getauscht und sich anschließend notdürftig gekämmt. Jetzt sah sie ein bisschen blass aus und so, als würde sie ihre Übereinkunft bedauern, dass sie zwar ihr Auto nehmen, aber er fahren sollte, während sie ihm den Weg wies. Pallioti nahm den Fuß vom Gas, tippte kurz auf die Bremse und fuhr etwas langsamer. Er bereute nicht, dass er sie mitgenommen hatte – das war schließlich nur fair –, aber ganz koscher war das auch nicht.
    Eleanor Sachs lächelte und schüttelte den Kopf. »Ihnen macht das richtig Spaß, oder?«, fragte sie. »Sie kommen mir vor wie ein Kind, das heimlich die Schule schwänzt. Jetzt sind Sie glücklich.«
    »Ja«, bekannte Pallioti, denn das war er.
    »Ich hoffe nur, dass das Lämmchen Sie nach dem langen Weg nicht enttäuscht.«
    Pallioti sah sie kurz an. »Keine Angst. Das wird er nicht.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Das habe ich im Gefühl.«
    »Ach so.« Sie dachte kurz darüber nach und fragte dann: »Und wenn er nur so laut ins Telefon krakeelt, weil er völlig übergeschnappt ist?«
    »Dann reden wir mit der Tochter.«
    »Ich muss Sie warnen, die ist wirklich angsterregend.«
    »Und wenn schon.« Pallioti lächelte. »Das bin ich auch.«
    Er bemerkte im Augenwinkel, dass sie aussah, als würde sie ihm nicht glauben und wollte das auch sagen. Dann überlegte sie es sich anders und

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