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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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Vergangenheit zu reißen.
    »Bitte entschuldigen Sie«, sagte Pallioti, nachdem er Tässchen und Untertässchen auf das Tablett zurückgestellt hatte, »aber ich muss das leider fragen. Können Sie mir sagen, wo Sie vergangenen Mittwoch, den ersten November waren?«
    »Wer? Ich?« Antonio öffnete seine Hände und lächelte. »Jedenfalls nicht in Florenz«, sagte er, »falls Sie sich das fragen. Ich war in meinem Büro. Ich arbeite fürs Ministerium. Unter dem großen Schirm der Kultur. Meine Mutter«, ergänzte er, »war beim Friseur.« Antonio Valacci sah Pallioti aufmerksam an. »Sie lässt sich jeden Mittwoch um elf die Haare machen. Ich kann Ihnen den Namen ihres Friseurs geben. Und den meiner Sekretärin.«
    Er sprang auf und schlängelte sich zwischen den Möbeln durch zu einem Schreibtisch in der Ecke.
    »Mach dich nicht lächerlich, Antonio.« Seine Mutter sah ihm ärgerlich nach. »Bei dir klingt das beinahe so, als wären wir Verdächtige.«
    »Das sind wir auch.« Antonio Valacci sah sie über die Schulter an und lächelte. Er schrieb etwas auf ein Kärtchen. »Jeder ist verdächtig«, sagte er. »Nicht wahr, Ispettore?« Antonio schlängelte sich wieder zurück und überreichte Pallioti eine altmodische Visitenkarte, auf deren Rückseite er eine Telefonnummer und zwei Namen notiert hatte – Bella Donna Frisiersalon und Anna Perocci. Der Name der Frau kam Pallioti bekannt vor, aber er konnte nicht sagen, woher. Er steckte die Karte in die Jackentasche.
    »Die Namen habe ich auch den beiden Polizisten gegeben, die gestern Abend hier waren.« Antonio ließ sich wieder auf das Sofa sinken. »Aber vielleicht haben sie die Information noch nicht weitergegeben. Falls es bei der Polizei auch nur annähernd so zugeht wie im Kulturministerium, vergeht mindestens ein Jahr, bevor die eine Abteilung mit der anderen spricht.«
    Eigentlich ging es bei der Polizei ganz und gar nicht zu wie im Kulturministerium, aber es war gut möglich, dass die beiden jungen römischen Polizisten, die man losgeschickt hatte, um Giovanni Trantementos nächste Verwandte zu informieren, noch nicht dazu gekommen waren, einen Bericht zu verfassen. Nicht dass es viel ausmachte. Sie waren geschickt worden, um die traurige Nachricht zu überbringen und um Trost zu spenden, nicht um die trauernden Hinterbliebenen zu verdächtigen. Das war sein Job.
    Pallioti hatte mit einem der beiden Polizisten telefoniert und wusste daher, dass man den Valacci nicht mehr erzählt hatte, als in der Presse zu lesen war – dass Giovanni Trantemento wahrscheinlich bei einem erfolglosen Einbruchsversuch erschossen worden war. Die beiden hatten nichts davon gesagt, dass nur ein einziger Schuss abgegeben worden war. Oder dass das Opfer gekniet hatte. Oder von dem Salz.
    Jetzt sagte er: »Ich weiß, es ist unangenehm, aber ich muss Sie fragen. Hat einer von Ihnen eine Ahnung, wer oder warum jemand Signor Trantemento hätte umbringen wollen?«
    Die Worte waren ein solches Klischee, dass er sich ein bisschen lächerlich vorkam, als er sie aussprach. Aber so abgedroschen die Frage auch war, sie musste gestellt werden und war, seiner Erfahrung nach, fast immer sinnvoll. Ihn interessierte dabei weniger die Antwort selbst als die Reaktion, die er auslöste, wenn er sie stellte. Bisweilen Zorn. Manchmal verwirrtes Kauderwelsch. Diesmal erntete er damit einen vielsagenden Blick, zumindest von Antonio. Maria Valacci schüttelte nur den Kopf.
    »Ich dachte, es wäre ein Einbruch gewesen«, sagte sie.
    »Schon. Trotzdem besteht immer die Möglichkeit, dass er den Täter kannte. Also wenn Sie irgendeine Idee haben …«
    Er sah zwischen beiden hin und her. Antonio studierte mit gespanntem Interesse seine leere Kaffeetasse.
    »Ich habe ihn nie besucht«, erzählte Maria Valacci. »Kein einziges Mal in Florenz. Oder sonst wo, muss ich gestehen. Ich kenne also niemanden, den er kannte. Außer Antonio und meinem verstorbenen Mann natürlich. Ich bin damals mit meiner Mutter in die Schweiz geflohen. Giovanni brachte uns hin. Er blieb ein paar Tage bei uns und verschwand dann. Was eigentlich nicht überrascht. Selbst der ergebenste Hund will sich irgendwann nicht mehr treten lassen.«
    Pallioti zog die Stirn kraus. Maria Valacci sah ihn an und nickte.
    »Es war grässlich«, erzählte sie weiter. »Unsere Mutter beschimpfte Gio ständig. Dass er ein Feigling sei wie sein Vater. Ansonsten durften wir Vater nicht mehr erwähnen. Es war, als wollte sie ihn vom Angesicht der Erde tilgen

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