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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas J. Schulte
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Stühlen, einem Hocker und einer Holzbank ohne Lehne waren übrig geblieben. Ein großer, sehr bequemer Lehnstuhl mit Kissenpolstern, der einmal Marias Onkel gehört hatte, und meine Truhe ergänzten die Einrichtung. Die Truhe war groß, sie enthielt praktisch alles Wertvolle, das ich besaß: Kleidung, einige Handschriften und Bücher, ein paar Briefe, Schreibzeug, und Schmuckstücke, die Maria gehört hatten. Ohne darüber nachzudenken, ging ich als erstes zur Truhe hinübe r. Auf ihrem Deckel war der heilige Georg im Kampf mit dem Drachen zu sehen. Welcher Tischler auch immer diese Intarsien geschnitten hatte, er hatte ein kleines Meisterwerk geschaffen.
    Doch mir ging es nicht darum, Georgs Kampf anzuschauen. Rund um das Intarsienbild gab es weitere Schnitzereien. Direkt neben dem Kampf des Drachen befand sich eine geschnitzte Rosette. Ich öffnete die Truhe und drückte mit dem Daumen gleichzeitig auf die Mitte der Rosette. Ein schwaches Klicken war zu hören, dann sprang im Truhendeckel eine fast nahtlos eingelassene Tür auf, die ein großes Fach freigab. Ich blickte hinein. Alles war an seinem Platz, keiner war in meiner Abwesenheit an der Truhe gewesen. Ich drückte die Fachtür wieder zu.
    Wer sollte hier auch herumschnü ffeln? Ich sah schon Gespenster. Die letzten Wochen waren mit harter Arbeit angefüllt gewesen, Tag für T ag, so lange, bis ich vor Erschöpfung einschlafen konnte. Mir war aber auch immer bewusst, dass ich irgendwann eine Entscheidung treffen musste. Ich stellte Brot, Käse, Butter und einen Krug Wasser auf den Tisch. Noch musste ich gar nichts entscheiden, noch nicht. Nach dem Essen spülte ich Teller und Becher draußen am Wasserbecken ab. Danach begann ich mit der Arbeit, die mich in den letzten Tagen beschäftigt hatte. Mir fehlte noch ein einfaches Regal, in dem ich Geschirr und Vorräte lagern konnte. Das Holz zu besorgen war einfach gewesen, aber zuerst hatte ich Probleme mit den gezinkten Seitenteilen gehabt. Mittlerweile aber war das Regal fast fertig. Den Nachmittag verbrachte ich damit, draußen das Holz noch einmal abzuziehen, zu schleifen und anzustreichen. Ab und zu konnte ich durch die Fenster gegenüber Johanna im Haus arbeiten sehen. Am späten Nachmittag huschte Thomas über den Hof durch die Hintertür. Wenn er geglaubt hatte, dass das seiner Mutter nicht auffallen würde, hatte er sich gründlich getäuscht. Auch dieses Donnerwetter war auf dem Innenhof nicht zu überhören. Es gefiel mir nicht, dass ich unfreiwilliger Zeuge von Johannas Auseinandersetzungen wurde. Aber ich hatte auch keine Lust, den Schleifstaub und die Späne in meinem Raum zu haben.
    Ich versuchte einfach wegzuhören, doch das war nicht leicht. Gregor war für Thomas offenbar ein großes Vorbild, der Mann im Haus sozusagen. Entsprechend hatte sich in den letzten Monaten der Umgang von Thomas verändert. Er spielte kaum noch mit Gleichaltrigen, sondern trieb sich jetzt immer öfter am Hafen herum, wo die Arbeiter, Fischer und Kaufleute ihm ab und zu ein paar Geldstücke in die Hand drückten, mit dem Auftrag, Bier oder Wein im nächsten Gasthaus zu besorgen. Meiner Meinung nach waren diese Gasthäuser nichts für einen Jungen in Thomas’ Alter. Dieser Ansicht war wohl auch Johanna, doch Thomas ließ die Strafpredigt einfach über sich ergehen. Ich hätte schwören können, dass er sich mor gen wieder zwischen den Fischfässern und Mühlsteinen herumdrücken würde.
    Als es schließlich dämmerte, war das Regal fertig. Ich räumte alles zusammen. Johannas Haus gehörte zu den Häusern, die im Erdgeschoss Glasfenster hatten. Längst waren alle Fenster geschlossen worden. Die Fenster in meinem Schuppen hatten bisher nur innen und außen hölzerne Läden. Vielleicht sollte ich mir auch Scheiben und Fensterrahmen besorgen? Ich vermerkte diese Idee in Gedanken auf einer Einkaufsliste, schloss die Fensterläden von außen und ging dann hinein. Zum Abendbrot gönnte ich mir einen Becher Wein. Doch auch der half nicht beim Einschlafen. Ich hörte noch drei Mal den Nachtwächter, bevor ich einschlief.
    Ich wachte früh auf. Nur wenig Licht sickerte durch die geschlossenen Fensterläden. Ein Großteil der Stadt schlief sicher noch. Trotzdem stand ich auf. Es war sinnlos, sich umzudrehen und zu ho ffen, noch einmal in den Schlaf zu finden. Außerdem fühlte ich mich ausgeruht und wach. Etwas war heute anders. Es war die erste Nacht seit vielen Monaten gewesen, in der ich nicht ihre Gesichter gesehen oder im

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