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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas J. Schulte
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Traum an ihrem Grab gestanden hatte. Kein einziger Albtraum. Kein schlechter Start in einen neuen Tag.
    Im Krug war noch genug Wasser, um mir den Schlaf endgültig aus dem Gesicht zu waschen. Ich fuhr mir mit der Hand über Kinn und Wangen, der Bart gehörte gestutzt, vielleicht sollte ich heute Vormittag beim Bader vorbeischauen. Aus der Truhe nahm ich frische Wäsche, die noch leicht nach Seife roch. Johanna hatte vor ein paar Wochen angeboten, meine Wäsche zu übernehmen, genauso wie sie regelmäßig meine Zimmer putzte. Beides war mir zuerst unangenehm gewesen. Schließlich aber erklärte sie sich bereit, dafür Geld zu nehmen. Sie konnte es gebrauchen, und ich konnte ohne schlechtes Gewissen ihr Angebot annehmen.
    Die getragene Kleidung stopfte ich in einen Leinensack, den ich später zur Waschküche bringen wollte. Schon vor Jahre n hatte ich die weit geschnittenen Hosen schätzen gelernt. Den üblichen enganliegenden Beinlingen konnte ich nur wenig abgewinnen. Dazu wählte ich ein silbergraues Hemd, die Lederweste und Stiefel.
    Fertig angezogen öf fnete ich die Fensterläden und schaute auf den Innenhof. Drüben im Haus regte sich noch nichts. Doch von der Straße hörte ich bereits das Rumpeln der ersten Karren, die in Richtung Hafen unterwegs waren. Dazwischen war ein vielstimmiges Quieken und Grunzen zu hören, jemand trieb seine Schweine hinaus vor die Stadtmauern, wo der städtische Hirte schon darauf wartete, die Tiere zu hüten. Ich atmete tief durch. Die Luft war kühler geworden, auch wenn es tagsüber noch mild war, ließ der Morgen den kommenden Herbst ahnen. Ich ließ das Fenster offen.
    Die Reste vom gestrigen Abendbrot genügten mir zum Frühstück. Vielleicht sollte ich Johanna fragen, ob ich nicht in einem ihrer Keller ein paar Vorräte unterbringen könnte, das würde vieles einfacher machen.
    Es klopfte laut an der Tür. Es gab nur zwei Personen, bei denen ein zögerliches Klopfen im Morgengrauen klang wie der Versuch, mit einem Rammbock das Eichenholz zu sprengen: Jupp oder Pastor Heinrich. Jupp hätte wahrscheinlich ohne Rücksicht auf die Nachbarn auch direkt laut gerufen. Also tippte ich auf Pastor Heinrich, der mit Rücksicht auf seine anderen Schäfchen zwar an meine Tür polterte, aber ansonsten den Mund hielt.
    Ich schob den Eisenriegel zurück und öffnete die Tür. Vor mir stand der gekreuzigte Jesus.
    Ich wich zurück. Beim zweiten Hinsehen erkannte ich das Kruzifix aus dem Mariendom und die zwei großen Hände, die unseren Heiland wie bei einer Prozession trugen.
    „Guten Mo rgen, Heinrich. Hab ich einen Feiertag verpasst, und macht Ihr immer im Morgengrauen Hausbesuche, um bei Euren Schäfchen nach dem Rechten zu sehen?“ Ein atemloses Grunzen war die Antwort.
    „Wollt Ihr unseren Heilan d nicht zuerst einmal hereinbringen? Ich nehme an, das s Ihr dieses Kreuz nicht umsonst in aller Herrgottsfrühe durch Andernachs Straßen schleppt.“ Da s Kreuz schwankte gefährlich in Richtung meines Kopfes. Schnell wich ich noch einen Schritt nach hinten zurück und fasste dann mit an. Heinrich s Gesicht hatte die zarte Farbe von junge m Rotwein angenommen.
    „Zum Henker, da heißt es immer ’jeder habe sein Kreuz zu tragen’. Aber da war sicher nicht dieses Kreuz gemeint. Teufel auch, hätte ich doch besser einen Handkarren genommen! Konrad, ich schwör Euch: Noch zehn Schritte und Ihr hättet mich zusammengebrochen auf der Straße gefunden, wie unseren Herrn Jesus auf seinem leidvollen Weg nach Golgatha.“
    Wir legten das große Kreuz vorsichtig auf den Boden. Heinrich ließ sich auf einen Stuhl fallen, der unter seinem Gewicht bedenklich knirschte.
    Ich holte einen Becher aus dem Regal und goss ihm Wasser ein. Begierig schnappte er sich den Becher, trank einen Schluck und schüttelte dann bekümmert den Kopf. „Wasser, nur Wasser“, murmelte er. „Sagt mal, gibt es in diesem Haus nicht wenigstens einen Schluck Wein, mit dem ich diesem Wasser Geschmack verleihen kann?“ Grinsend stand ich noch einmal auf und holte den Weinkrug. Bevor ich ihn richtig abstellen konnte, schnappte ihn sich Heinrich, zog den Korken heraus und goss sich einen großzügigen Schluck ein. Nachdem er ein zweites Mal getrunken hatte, spielte ein zufriedenes Lächeln um seinen Mund.
    „Ahh, so ist das genau richtig. Und was denkt Ihr, warum ich hier bin?“ Heinrich schaute mich erwartungsvoll an. Es war sein Auftritt, ich gönnte ihm die Freude.
    „Keine Ahnung – Ihr erschreckt alle neuen

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