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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas J. Schulte
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ich zumindest.
    Offenbar hatte Jupp nicht, wie ich anfangs angenommen hatte, einen Schlag auf den Kopf bekommen, sondern er versuchte angestrengt, bei all dem Lärm im Hirsch ein Gespräch zu verfolgen. In einer der Nischen saßen zwei Männer und stritten ganz offensichtlich halblaut miteinander.
    Überrascht erkannte ich in einem der beiden Gregor Kreuzer, Johannas Bruder , wieder.
    Sein Gegenüber war deutlich älter. Ich schätzte ihn auf Ende 50, vielleicht Mitte 60. Teure Kleidung, Pelz am Kragen seines Mantels, obwohl es nun wirklich noch nicht kalt war, zwei schwere Siegelringe an den Fingern, ein mit Edelsteinen besetzter Schmuckdolch an der Seite. Das bartlose Gesicht hatte sicherlich einmal energisch ausgesehen, doch jetzt zeigten ein schweres Doppelkinn und eine gerötete Nase, dass ihr Besitzer schweres Essen und Wein schätzte. Insgesamt strahlte der Mann Macht aus. Man konnte fast meinen, ein reicher Gönner wäre da im Gespräch mit seinem Gefolgsmann. Das wütende, rot angelaufene Gesicht jedoch sah alles andere als gönnerhaft aus.
    „Wer sitzt da Gregor Kreuzer gegenüber?“
    Jupp schien meine Frage nicht gehört zu haben, jedenfalls reagierte er gar nicht. Ich beugte mich z u seinem Ohr. „Jupp! Wer ist das?“
    „Jetzt schrei doch nicht so, ich hör dich ja! Entschuldige, aber das sieht man eben nicht alle Tage. Ein Nichtsnutz wie der Sohn vom alten Kreuzer, einer, der am liebsten den Schankmägden hinterherläuft und am Hafen würfelt, im vertraulichen Gespräch mit einem der angesehensten Bürger Andernachs. Ich würd’ ja jetzt gern mal Mäuschen spielen. Was zum Teufel haben die beiden miteinander zu schaffen?“
    „Und wer ist der Dicke?“ fragte ich.
    „Den kennst du nicht? Also, da drüben sitzt Hermann Wilhelm von Grevenrath. Erfolgreicher Kaufmann, besitzt zig Häuse r in Andernach und Koblenz und soll sogar in Köln seine Finger im Kornhandel haben. Grevenrat h war schon alles in Andernach: Schöffe, Ratsherr, und wenn du heute Abend verhafte t werden würdest, dann lerntest du morgen frü h den Schultheiß von Grevenrath kennen. Man munkelt“, Jupp senkte völlig unnötig die Stimme, „man munkelt, dass bei Grevenrath nicht nur unser früherer Kurfürst in Köln, Ruprecht von der Pfalz, sondern auch unser neuer Administrator und künftiger Kurfürst Hermann tief in der Kreide stehen. Und selbs t Erzbischof Johann in Trier gewährt Grevenrath jederzeit eine Audienz. Ich sag dir, da ist mehr als nur ein Sac k Goldgulden geflossen.“ Jupp nahm einen tiefen Schluck aus seinem Weinbecher.
    „Also, leg’ dich mit Grevenrath an und du hast alle hohen Herren der Stadt am Hals, so sicher wie das Amen in der Kirche.“
    Plötzlich sprang Gregor auf und stieß dabei krachend einen Stuhl um, das Gesicht bleich vor Wut.
    „Und ich dachte, Ihr wärt ein Mann von Ehre!“
    Für einen Moment war es still im Hirsch. Der umgefallene Stuhl und der wütend herausgestoßene Satz ließen die Gespräche verstummen. Grevenraths Gesicht wurde sogar noch eine Spur röter, ihm war klar, dass fast jeder im Hirsch zu ihm herüberblickte. Es gelang ihm, seine Wut herunterzuschlucken, seine tiefe Bassstimme klang beinahe bittend. „Gregor, ich habe deinen Vater als einen ehrlichen Menschen schätzen gelernt, ich habe auch nicht die Jahre vergessen, wo er und ich zusammen im Rat gesessen haben. Als bürgerlicher Ratsherr war er ein Mann von Ehre. Auch um dieser alten Zeiten willen habe ich dich angehört. Doch was du willst, ist gegen das Gesetz, gegen jeden Anstand und vor allem gegen den letzten Willen deines verstorbenen Vaters.“
    „Ach, hört doch auf mit Eurem scheinheiligen Geschwätz und vergesst meinen Vater!“ Gregor hatte getrunken, mehr als ihm gut tat. Sein e Stimme überschlug sich fast. „Ich weiß doch , dass Ihr nur darauf wartet, endlich alles in Eure Hand zu bekommen. Ihr wollt doch nur den Preis drücken. Nein, ich sag Euch eines – Ihr werdet dafür bezahlen, vielleicht nicht heute, aber Ihr werdet bezahlen.“ Grevenraths Gesicht sah merkwürdig unbeteiligt aus, fast, als würde ihn das alles nichts angehen. Dass er schwieg, nahm Gregor den Wind aus den Segeln. Die letzte n Sätze wie eine Drohung hervorgepresst, drehte e r sich um und ging mit hängenden Schultern zum anderen Ende der Theke, wo er sich ein weiteres Bier bestellte. Ich achtete nicht weiter auf Gregor, sondern beobachtete den Ratsherrn. Als Gregor sich umgedreht hatte, setzten di e Gespräche ringsherum wieder

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