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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas J. Schulte
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zu dem Stadtknecht hoch, der mit staunenden Augen unserem Gespräch gefolgt war, „halte mal deine Fackel tiefer.“ Nein, auch der Rücken wies keine weiteren Verletzungen auf. Wenn Grevenrath nicht vergiftet worden war – und wer ve rgiftet schon sein Opfer, um es dann zu erstechen? – blieb nur eine Möglichkeit. Mit beiden Händen bewegte ich vorsichtig Grevenraths Kopf, der sich erstaunlich leicht hin und her bewegen ließ. „Sein Genick ist gebrochen, und hier“, ich wies auf einen länglichen, quer über den Nacken verlaufenden tiefroten Abdruck, „hier ist der Grund für den Genickbruch.“ Ich schaute mich um. Keine drei Schritte entfernt waren ein paar Stufen, die in einen Hausdurchgang führten. Schwere Stufen aus Basalt.
    Ich wies mit dem Kopf in Richtung Stufen. „Hier ist er aufgeschlagen, erst dann hat man ihn erstochen.“
    In Jupps Gesicht arbeitete es. Er schaute mich prüfend an. Genau solche Blicke hatte ich vermeiden wollen, doch jetzt war die Entscheidung gefallen. „Frag nicht, Jupp, lass gut sein. Sagen wir einfach, dass ich gut beobachten kann.“
    „Willst du mich verarschen, Konrad? Mal ehrlich, darüber müssen wir uns später noch mal unterhalten.“ Jupp hatte so leise gesprochen, dass selbst Melchior nichts mitbekommen haben konnte. Jupp richtete sich auf und schaute die übrigen an, die uns beiden still zugeschau t hatten. „Holt eine Trage, eine Decke, irgendetwas in der Art, und dann bringt ihr ihn ins Stiftshospital. Klingelt meinetwegen die Nachtwache aus ihrem Schlaf. Bestellt einen Gruß von mir, ich melde mich morgen früh . Und vor allem, haltet alle den Mund. Ich werde gleich noch zu Grevenraths Haus gehen und die schlechte Nachricht möglichst schonend seiner Frau beibringen. Also los, schwingt die Beine, und denkt dran: Wenn ich morgen früh irgendein Gerücht höre, weiß ich, wem ich die Eier abreißen muss, nämlich euch allen.“ Jupps altes Grinsen war wieder au f seinem Gesicht. Der Bann war gebrochen, die umherstehenden Männer begannen ebenfalls zu grinsen. Jupp wandte sich an den immer noch schweigenden Gobel, dessen Magen sich langsam zu erholen schien. Zumindest sah er nicht mehr so kalkig i m Gesicht aus. „Du, mein Lieber, gehst nach Haus. Es werden heute schon keine Feind e die Stadttore bestürmen. Trink einen Schnaps und leg dich hin.“ Peter Gobel nickte nur stumm und lief dann ohne einen Abschiedsgruß Richtung Hochstraße davon. Jupp nahm mich beiseite: „Konrad, ich danke dir . Soll ich dich noch begleiten?“ „Nee, Jupp, mein Bett finde ich schon allein.“ „Gut. “ Jupp seufzte. „Also bleibt mir nur noch Grevenraths Witwe.“
    In diesem Moment ertönte unten aus der Korngasse ein Ruf. Drei Männer kamen die Gasse hinauf. Einer mit einer Laterne in der Hand, und in der Mitte ein Mann, der mehr stolperte als ging. „Jupp, bist du da oben?“
    Jupp richtet sich zu seiner vollen Größe auf. „Alwin? Bist du das?“
    Die drei hatten uns fast erreicht. „Jupp, zu dir wollten wir. Bei unserem Rundgang lief uns der hier genau in die Arme, stammelte etwas von einem Toten und hatte Blut an den Händen. Da dachten wir, wir schauen mal nach, ob du uns ...“ Alwin brach mitten im Satz ab. Er hatte den Leichnam entdeckt. „Ach, du Kacke, ist das Hermann Wilhelm von Grevenrath?“
    Jupp nickte schweigend, nahm Alwin die Laterne aus der Hand und leuchtete dem Mann, den die beiden Stadtknechte in die Mitte genommen hatten, ins Gesicht. Ich schnappte nach Luft. Vor mir stand, mit blutigen Händen und einem gehetzten Blick, Gregor Kreuzer.

9
    Pater Adalbert war alt, sehr alt. Keiner konnte sich mehr daran erinnern, wie lange er schon bei den Minderen Brüdern war. W ahrscheinlich hatte er es selbst längst vergessen. Seit mehr als 25 Jahren versah Pater Adalbert den Dienst des Torwächters. Doch das Alter forderte seinen Tribut: Oft schlief er tagsüber ein oder wachte nicht rechtzeitig zum großen Nachtgebet auf. Keiner aber störte sich daran, denn Adalbert blickte auf ein langes Leben im Dienste der Brüder zurück. An diesem Morgen aber war er wach. Gerade eben überlegte er , ob er sich einen Becher Wasser vom Brunnen holen sollte, als die Torglocke ertönte. Adalbert stemmte sich hoch, so schnell es seine steifen Knie und der schmerzende Rücken eben zuließen. Langsam schlurfte er zum Tor hinüber. Die Glocke ertönte erneut. Mit einem leise gemurmelten Fluch, der jeden Hafenarbeiter zum Erröten gebracht hätte, öffnete Adalbert die

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