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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas J. Schulte
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Mönch nicht eingefallen war. Einen zweiten solchen Fehler durfte er sich nicht erlauben. Während er weiter stumm hinter dem Guardian eine breite Steintreppe emporstieg, bekam sein Gang ein leichtes Hinken.

10
    Ich hätte mich ohrfeigen können. Fast wäre mein Zeigefinger dahin gewesen. Das scharfe Schnitzmesser hatte einen viel zu großen Holzspan abgetragen und war gerade noch am Zeigefinger vorbei gerutscht. Während ich still vor mich hinfluchte, wurde mir klar, dass ich so nicht weiterkommen würde. Ich war müde, unausgeschlafen und in Gedanken immer noch bei der gestrigen Nacht. Weil ich mich ablenken wollte, hatte ich mich hingesetzt und versucht, aus Restholz einen Entwurf für das neue Kreuz zu schnitzen. Doch alles, was ich anfing, endete damit, dass ich es nach kurzer Zeit in den Korb mit Anmachholz warf. Nein, so ging es nicht. Ich musste mir erst einmal im Klaren sein, wie das Kreuz genau aussehen sollte. Außerdem würde ich vernünftiges Holz benötigen: trocken, ohne Risse, Holz, das sich gut bearbeiten ließ. Werkzeug, zusätzliches Werkzeug musste ich auch besorgen, möglicherweise konnte mir Meister Münder zwei, drei Stechbeitel leihen oder verkaufen.
    Noch länger hier im Zimmer rumzusitzen und zu grübeln, würde mir auch nicht helfen. ‚Mach es, wie der Bauer die Klöße isst‘ – hatte mir mein Vater immer gesagt, nachdem ich mich darüber beklagt hatte, eine seiner vielen Aufgaben nicht zu schaffen. ‚Wie isst der Bauer denn die Klöße?‘ Ich erinnerte mich, dass mein Vater über das ganze Gesicht gestrahlt und mir ins Ohr geflüstert hatte:
    ‚Nacheinander, mein Sohn, einen nach dem anderen.‘ Nacheinander – also würde ich jetzt zuerst einmal das Werkzeug besorgen, mich ums Holz kümmern und dann darüber nachdenken, wie das neue Kreuz aussehen sollte. Nach diesem Entschluss fühlte ich mich gleich besser. Ich wollte gerade die Tür öffnen, als es klopfte. Ein zurückhaltendes Klopfen, zögerlich – also keine Gefahr, dass Pastor Heinrich jetzt jeden Mo rgen vor meiner Tür stehen könnte.
    Ich öffnete die Tür und Johanna wäre fast in mein Zimmer gefallen. Offenbar hatte sie nicht damit gerechnet, dass ich direkt hinter der Tür stehen würde.
    „Oh, Konrad, entschuldigt bitte.“ Johannas Stimme klang heiser, ihre Augen sahen gerötet aus, so als hätte sie erst vor kurzer Zeit geweint.
    „Ich weiß, es ist noch früh, aber ich habe eine Bitte und vielleicht könnt Ihr mir helfen.“ Johanna, sonst so selbstbewusst und beherrscht, schien nach Worten zu suchen. „Kommt erst einmal herein“, bat ich sie und führte sie zu dem großen Lehnsessel. „Es geht um Gregor, stimmt ’s?“ Eigentlich war meine Frage überflüssig, man sah es ihr am Gesicht an. Wie musste sich jemand fühlen, der erfahren hatte, dass sein eigener Bruder einen der angesehensten Bürger ermordet hatte?
    Johanna rang sichtlich nach Fassung. „Ich weiß nicht mehr weiter,“ sie flüsterte die Worte. „Ich meine“, ihre Stimme klang jetzt empört, „was hat sich dieser verdammte Idiot dabei gedacht – ich kann nicht glauben, dass Gregor einfach weggelaufen ist.“
    „Aber Johanna, liegt das nicht auf der Hand? Ein Streit, ohnmächtige Wut und dann nacktes Entsetzen über die eigene Tat“, entgegnete ich.
    Johanna blickte erschrocken auf: „Nein , nein, Konrad, Gregor hat Grevenrath nicht umgebracht. Nie und nimmer, das könnte er nicht. Ich meine, wenn er den Toten gefunden hat, warum hat er dann nicht die Wachen an der Pforte gerufen? Er hätte Hilfe holen können. Gregor ist ein verfluchter Idiot, aber er ist doch kein Mörde r.“
    „Johanna, ich weiß, alles, was ich jetzt sagen kann, ist kein Trost. Aber ich denke, es gibt da kaum Zweifel. Ich war dabei, wie sich Gregor mit Hermann Wilhelm von Grevenrat im Hirsch gestritten hat. Er hat ihm vor allen Gästen offen gedroht. Nicht mal zwei Stunden später wird Grevenrath tot in der Korngasse gefunden. Gregor läuft der Wache der Kornpforte und der Fischpforte in die Arme, unfähig, ein Wort zu sagen, sichtlich erschüttert. Johanna, ich haben es selber gesehen und ...“
    „Ihr seid dabei gewesen?“ Johanna sah verwirrt und überrascht gleichermaßen aus. „Aber wieso?“
    Ich holte mir einen Hocker vom Tisch und setzte mich ihr gegenüber. Sie hatte ein Recht darauf, alles zu erfahren. Also begann ich, ihr vom gestrigen Abend zu erzählen: Von meinem ersten Besuch im Gasthof „Zum Hirsch“, dem für Jupp so geheimnisvollen

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