Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
Natürlich wusste Gernot, was sein Kaiser von ihm erwartete. Ja, er schämte sich für seinen Wutausbruch.
Gernot nickte nur kurz angebunden – wahrscheinlich hatte der Mönch recht. Pater Jacob war erleichtert. Er wusste, dass er mit seiner Bitte dem jungen Ritter zu nahe getreten war. Aber sein Magen schmerzte immer noch, und das würde nicht besser werden, wenn das heutige Gespräch wieder in gegenseitigen Beschimpfungen enden würde. W ar es da nicht sogar seine Pflicht als Hausherr, die W ogen zu glätten? Die Tür flog auf. Philipp von Burgund und sein V ater stürzten in den Raum.
„Was habt Ihr mit Jacques de Brev gemacht? Na, los, antwortet!“
Philipp von Bur gund baute sich drohend vor Gernot auf. Seine Stimme überschlug sich vor Wut, und auf seinem Hals bildeten sich hässliche rote Flecken.
Gernot sprang auf und stieß dabei fast noch den Lehnstuhl um, auf dem er gesessen hatte.
„Wie redet Ihr mit mir? Und wer zum Teufel ist dieser Jacques de Brev?“
Philipp, der o ffensichtlich drauf und dran war, sich auf den Württemberger zu stürzen, wurde von seinem Vater am Arm zurückgezogen.
„Verzeiht meinem Sohn, er ist besorgt und bestürzt wie wir alle. Nach Eurem Treffen gestern Nacht mit unserem Gefährten war seine Kammer heute früh leer, sein Bett unbenutzt.“
So wütend Philipp war, die sanfte Stimme seines Vaters schien ihn etwas zu beruhigen.
Gernot von Württemberg blickte verwirrt zu Johann von Brandenburg.
„Unser Treffen mit einem Eurer Diener? Wir waren die ganze Zeit hier im Kloster. W arum sollten wir einen Eurer Diener treffen wollen?“
„Nun, das Treffen sollte natürlich mit meinem Sohn stattfinden“, erklärte Anton von Burgund, „schließlich war es Eure Nachricht, die wir erhielten. Aber Jacques de Brev erbot sich, das Gespräch zu führen. Nach Eurem gestrigen Auftritt schien uns dies ratsam.“
„Aber wir haben Euch keine Nachricht geschickt“, warf Ritter Gernot ein.
„Lügner!“, schrie Philipp erbost. „Von wem sollte denn sonst die Nachricht sein? Sie war mit Eurem Siegel gezeichnet.“
Philipp drehte sich zu seinem Vater um.
„Siehst du, ich habe dir gleich gesagt, dass man diesem Württemberger nicht trauen darf.“
Johann von Brandenburg sah, wie es in Gernot brodelte. Also hielt er ihn mit einer Hand zurück.
„Moment, lasst uns doch in Ruhe alles besprechen. Wenn Gernot von Württembe rg sagt, er habe Euch nicht um ein Treffen gebeten, dann ist das so. Was also könnte …“
Doch weiter kam der Brandenburger nicht. Philipp drehte sich um, schaute Pater Jacob an, den er jetzt zum ersten Mal zu bemerken schien.
„Ih r, Bruder, Ihr werdet veranlassen, dass man in der Stadt nach Jacques de Brev sucht. Findet ihn! Noch vor Ende des Morgens will ich wissen, was ihm zugestoßen sein könnte. Und Ih r, Ritter Gernot“, Philipp blickte sein Gegenüber hasserfüllt an, „Ihr bereitet Euch besser darauf vor, uns allen Rede und Antwort zu stehen, oder Ihr werdet Euch mit der Klinge rechtfertigen müssen.“
Philipp drehte sich um und verließ den Raum. Sein Vater schien es für überflüssig zu halten, weitere Drohungen auszustoßen. Er nickte Johann von Brandenburg zu und folgte dann seinem Sohn.
„Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?“
Gernot blickte Johann überrascht an, so als hätte er dessen Frage nicht richtig verstanden. „Ich? Wieso soll ich irgendetwas damit zu tun haben, dass einer von diesen bur gundischen Lakaien nicht in seinem Bett geschlafen hat?“
„Du weißt genau, was ich meine“, erwiderte der Jüngere, „eine persönliche Nachricht an Philipp zu richten, statt abzuwarten, was die Gespräche ergeben, das sieht dir ähnlich. Ging es dir nicht schnell genug? Verdammt noch eins, liegt dir dein Vetter Heinrich wirklich so am Herzen, dass du unbedingt mit dem Kopf durch die Wand willst? Gernot, hier geht es um die Heirat Maximilians, nicht um deine Familie.“
„Du glaubst im Ernst, dass ich mich mit Philipp in der Stadt treffen wollte? Womöglich soll ich aus Wut über sein Fernbleiben auch noch diesem Jacques eins über den Schädel gezogen haben? Muss ich dich daran erinnern, welche Aufgabe ich im Namen des Kaisers erfüllen soll? Glaubst du wirklich, das alles würde ich für ein nächtliches Treffen mit so einem aufs Spiel setzen?“
„Wer von uns hat denn den Halbbruder Karls als selbstverliebten Schneckenfresser beschimpft? W essen Siegel trug denn offenbar die Nachricht? Glaubst du, das haben sich Anton
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