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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas J. Schulte
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ich.
    „Herzog Ernst der Eiserne, der Vater unseres Kaisers, hatte eine Gruppe von Rittern als seine persönliche Leibwache berufen. Allesamt erfahrene Kämpfer, Elitesoldaten. Doch das war längst nicht alles. Im Laufe der Jahre gewann diese Gruppe immer mehr an Bedeutung. Sie begannen die Interessen der Habsburger an den Königshöfen in Europa zu vertreten, mal offiziell, mal im Geheimen. Auch unter Friedrich blieben die Ritter des schwarzen Adlers bestehen. Ja, mehr noch, nachdem Friedrich vor mehr als 20 Jahren in Rom zum Kaiser gekrönt worden war, wurden die Ritter zu seinem verlängerten Arm und bekamen immer größere Vollmachten. Das ist bis heute so geblieben, auch wenn längst andere Ritter an die Stelle der ursprünglichen Kämpfer gerückt waren: zwölf Ritter, nur dem Kaiser persönlich verpflichtet. Selbst die Großen des Reiches dürfen sie nicht belangen. Im Gegenteil, die Zwölf haben sogar die Befugnis, im Namen des Kaisers zu siegeln, sollte dies tatsächlich einmal nötig sein. Und dieses Siegel gilt auch als Erkennungszeichen: Der schwarze Adler der Habsburger.“
    Anselm hatte mir schweigend zugehört.
    „Du weißt ja eine Menge über diese Zwölf.“
    Ich nickte und atmete einmal tief durch: „Eigentlich, Vater Anselm, sind es seit zweieinhalb Jahren nur noch elf. Einer hat sich vom Kaiser höchst persönlich zwei Jahre Zeit erbeten. Zwei Jahre, um die Liebe seines Lebens zu heiraten, zwei Jahre, um sich darüber klar zu werden, wie es weitergehen soll. Nur ist die Frist von zwei Jahren schon vor sechs Monaten abgelaufen. Wenn Friedrich heute fragen sollte, wie die Entscheidung lautet, müsste der eine Adler zugeben, dass er keine Ahnung habe.“
    „Sag mir, Konrad, dass das nur ein Scherz ist. Du willst mir doch nicht im Ernst gerade erklären, dass du…“
    Ich schaute Anselm an und nickte stumm.
    „Teufel und Grottenschlund, der Herr vergebe mir das Fluchen. Jetzt wird mir einiges klar. Damals, als du dich nicht gemeldet hattest …“
    „… war ich am Hofe Edwards von England. Edward hat am Ende ein Abkommen mit der Hanse geschlossen. Für die Habsbu rger ein wichtiger Punkt, denn es brachte Ruhe statt weiterer Seeschlachten und beruhigte die mächtigen Hansestädte.“
    „Aber dein Vater – wusste denn dein Vater nicht Bescheid?“
    „Anselm, wir haben dem Kaiser den T reueeid geschworen, und oft sind unsere Missionen geheim. Glaubt Ihr, es würde leichter, wenn der halbe Hofstaat eines Herzogs davon weiß?“
    Anselm war bei meiner Erzählung vor Erregung aufgesprungen und lief nun mit nachdenklichem Gesicht an den Regalen der Bibliothek vorbei. Dann blieb er plötzlich stehen und drehte sich zu mir um.
    „Dein Vater hat sich von dir losgesagt. Du bist in Andernach in zwei Mordfälle verstrickt. Du hättest alle Rechte, den Mörder zu finden, zu verurteilen und hinzurichten, denn de facto bist du des Kaisers Arm hier vor Ort – und keine Seele weiß, dass es dich gibt?“
    Ich fühlte plötzlich, wie müde ich war. Trotzdem war es gut gewesen, endlich mit jemandem darüber zu sprechen.
    „Alles richtig, Vater Anselm, aber wenn ich mich der habsburgischen Delegation oder dem Stadtrat und den Schöffen zu erkennen gebe, muss ich auch gegenüber meinem Kaiser eine Entscheidung fällen. Ich habe aber das Gefühl, dass ich noch nicht so weit bin. Davon abgesehen – vergesst nicht, ich habe einen Eid gebrochen. Kaiser Friedrich schätzt es gar nicht, wenn seine Gefolgsleute ihr Wort nicht halten. Versteht mich nicht falsch, es sind nicht die Folgen, die ich fürchte, sondern mein Versagen.“ „Aber, Konrad“, Anselm stand jetzt vor mir und legte mir die Hand auf die Schulter, „du gehörst zu den privilegiertesten Männern im ganzen Reich. Du kannst dich doch nicht auf Dauer in so einer kleinen Stadt am Rhein verkriechen.“
    Anselms Stimme hatte den gleichen Klang wie damals bei dem Versuch, mir als Schüler die Logik des Pythagoras zu erklären.
    „Siehst du nicht, dass dich die Ereignisse eingeholt haben? Was ich bislang gehört habe, zeigt mir, dass du schon längst wieder deine Aufgabe erfüllst. Du hast es vielleicht nur noch nicht bemerkt.“
    Anselm hatte recht. Ich musste gar keine Entscheidung mehr treffen. Sie war in der einen Nacht in der Korngasse gefallen, als ich zusammen mit Jupp Grevenraths Leiche untersucht hatte. Es ging nur noch darum, die Mörder zu fassen und zu verhindern, dass die Gespräche der beiden Delegationen abgebrochen wurden, bevor sie

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