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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas J. Schulte
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öffnete seinen Mund. Auch die Zunge leuchtete rot: Kirschsaft. „Wisst Ih r, was heute serviert wurde?“
    „Nein, so genau weiß ich das gar nicht. Also, ganz sicher Braten, gefüllte Gans, Hering – es soll ja heute Abend noch ein großes Essen geben, wisst Ih r. Und wahrscheinlich Lauchgemüse, Käse und …“
    Ungeduldig unterbrach ich ihn: „Und Kirschen, gab es auch Kirschen?“
    „Kirschen?“ Pater Jacob dachte kurz nach, dann hellte sich sein Gesicht auf. „Oh ja, heute früh wurden in der Küche große Schalen Kirschkompott vorbereitet.“
    Das war es: Kirschkompott. Ich hätte mein Schwert darauf verwetten können, dass Hans mehr als nur genascht hatte. Seine Naschsucht hatte ihn getötet. „Schnell, Pater Jacob, sagt, haben alle diesen Kirschkompott bekommen?“
    „Natürlich“, antwortet der Mönch, „die hohen Herren sind sicher noch beim Essen. Warum fragt Ihr?“
    Ich sprang auf und lief zu einer der Treppen. „Führt diese Treppe zu den Gasträumen?“ Pater Jacob nickte: „Aber wartet, wo wollt Ihr denn auf einmal hin?“
    Ich drehte mich kurz um: „Atropa belladonna, Tollkirschen, Teufelskirschen, W olfsbeeren, nennt sie, wie Ihr wollt. Jemand hat vor, Eure Gäste zu vergiften.“
    „Wer will hier wen vergiften?“ Heinrich war unbemerkt durch den Garten gekommen. Gut, dass er da war.
    „Heinrich, lauf zu den Burgundern und hindere sie daran, das Kirschkompott zu essen. Schnell, beeil dich! Pater Jacob, wo sind die Räume der Württember ger?“
    Vor Schreck erstarrt, deutete Pater Jacob zu einer der Fensternischen hoch.
    Ich sprang die Stufen hoch. Hoffentlich war es noch nicht zu spät!
    Oben angekommen lief ich den Gang entlang. Am Ende war eine schwere Eichentür. Auf den Steinplatten lagen die Scherben eines Kruges. Ich rannte zur Tür und schlug mit der Faust dagegen. „Mach auf, Gernot! Bist da drin?“, rief ich.
    Keine Antwort! Ich hämmerte gegen die Tür.
    „Gernot, um Himmels willen, mach die verdammte Tür auf. Ich bin es, Konrad!“
    Drinnen hörte ich das Scharren eines Stuhls. „Konrad? Welcher Konrad?“
    Gott sei Dank! Er lebte!
    Aber seine Stimme klang ungewohnt, fast als wäre er betrunken.
    „Gernot, Austria erit in orbe universo!“ AEIOU, die fünf Buchstaben, standen auf unserem Siegel. Sie waren das Kürzel des Kaisers, der allein wusste, welchen Sinnspruch er damit verband. Und sie waren unsere Parole. AEIOU: Österreich, Habsburg, wird ewig sein. Der Schwur unseres Ordens auf den Kaiser .
    Ich hörte, wie ein Riegel zurückgezogen wurde. Dann stand Gernot vor mir, er schwankte leicht.
    „Konrad? Bist du das wirklich? Was machst du denn hier? Ich, ich mein …“ Gernot brach ab und schüttelte verwirrt den Kopf. Über seiner Schulter hinweg sah ich auf dem Tisch die Schüsseln. Kirschkompott.
    Ich drängte mich an ihm vorbei, griff mir einen Becher, füllte ihn mit Wein und schüttete eine Handvoll Salz aus einem großen, silbernen Salzfass hinein. Gernot hatte die Tür geschlossen und schaute mir ratlos zu. Ich drückte ihm den Becher in die Hand:
    „Los, Gernot, trink das, mach schon!“, forderte ich ihn auf.
    Zögernd setzte er den Becher an, trank einen Schluck und verzog angewidert das Gesicht. „Nicht aufhören, trinken!“
    Gehorsam trank er, und die Wirkung blieb zum Glück nicht aus: Sein Gesicht wurde bleich. Ich hielt ihm eine der Schüsseln hin. Gerade noch rechtzeitig. Gernot übergab sich unter lautem Würgen.
    Dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen. „Mein Gott, was war das denn?“
    „Jemand hat deinen Kompott mit Tollkirschen vergiftet“, antwortete ich. „Zum Glück kam ich noch rechtzeitig.“
    Gernot fasste sich an den Kopf: „Ich fühle mich ganz heiß, bitte, gib mir einen Schluck Wasser – diesmal aber ohne Salz!“
    Ich füllte einen neuen Becher. Dankbar nahm Gernot einen großen Schluck.
    „Konrad, was tust du hier? Als ich unsere Parole hörte und dich sah, dachte ich, ich träume.“ Gernot musterte mich.
    „Und wie du aussiehst! Warst du krank? Wie geht es Maria? Seit Monaten fragen wir uns, wo du wohl steckst. Und dann tauchst du plötzlich hier in Andernach auf. Dich hat doch nicht etwa Friedrich geschickt, oder? Ich mein, ich würde dem Alten das zutrauen …“
    „Gernot, halt mal für einen Moment den Mund“, unterbrach ich ihn. „Das alles ist eine lange Geschichte, der Kaiser hat nichts damit zu tun. Ich bin seit einem Jahr hier in der Stadt, und Maria ist vor einem halben Jahr gestorben. Ich

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